Flusslandschaft 1986

Militanz

Als „Celler Loch“ wird ein Loch bekannt, das im Rahmen der „Aktion Feuerzauber“ am 25. Juli 1978 in die Außenmauer der Justizvollzugsanstalt Celle gesprengt wird. Die niedersächsische Landesbehörde für Verfassungsschutz fingiert den Anschlag als False-Flag-Operation. Unter dem Schlagwort „Celler Loch“ wird auch die sich daraus ergebende Affäre bundesweit bekannt. Der Verfassungsschutz beabsichtigte angeblich, mit diesem Anschlag einen Informanten in die RAF einzuschleusen. Der Anschlag sollte als ein Befreiungsversuch für Sigurd Debus erscheinen, der als mutmaßlicher Terrorist der RAF im Celler Hochsicherheitsgefängnis (JVA) einsitzt. Als involviert und informiert gelten der niedersächsische Verfassungsschutz, die auf Anforderung beim Bundes-
grenzschutz tätig gewordene GSG 9, die Landesregierung unter Ernst Albrecht (CDU) sowie die Anstaltsleitung. Das Bundesinnenministerium als vorgesetzte Behörde der GSG 9, das Bundesamt für Verfassungsschutz, die Bundesregierung und die Landespolizei sollen vorab nicht informiert worden sein. Auch in München wird das „Celler Loch“ diskutiert.1

In der linksalternativen Szene tummeln sich auch Spitzel und agents provocateurs. Das weiß jeder, aber es erfreut auch, wenn hin und wieder ein Komplott auffliegt.2

Am 9. Juli tötet das Kommando Mara Cagol der Rote Armee Fraktion (RAF) Karl Heinz Beckurts, den Chef für Forschung und Technik bei Siemens und Vorsitzenden des Arbeitskreises „Kernener-
gie“ im Bund der Deutschen Industrie sowie seinen Fahrer bei einem Sprengstoffanschlag in Straß-
lach bei München.3

Am 31. Juli dringt Brennt weg den Scheiß in das Pionierdepot der Bundeswehr ein und zerstört ein Schlauchbootlager, eine Schreinerei sowie Unterkünfte.4 „Und am 15. September wird im Arabella-
park laut Erklärung der Kämpfenden Einheit Anna Maria Ludmann ‚mit einem Sprengsatz das Gebäude angegriffen, in dem das Management und die Gemeinschaftsfirmen für die Produktion des MRCA Tornado und den Jäger 90 untergebracht sind’.“5

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Siehe auch „Atomkraft“.


1 Siehe „An das Bayerische Landeskriminalamt“ von Erna Graf-Schwach.

2 Siehe „Bisserl komisch“.

3 Vgl. Der Spiegel 29/1986.

4 Vgl. Michael Backmund: „‚Kriegsgerät interessiert uns brennend’ — Antimilitaristische Proteste — Schlaglichter von 1945 bis 2010“ in Zara S. Pfeiffer (Hg.), Auf den Barrikaden. Proteste in München seit 1945. Im Auftrag des Kulturreferats der Landeshauptstadt München, München 2011, 157.

5 A.a.O.

6 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung