Flusslandschaft 1989

Alternative Szene

Anfang des Jahres erscheint ein Papier, dass anhand der Beseitigung des Flohmarkts in der Dachauer Straße — heute steht hier das Goethe-Institut — die Haltung der Szene zur „Haiteck-Stadt“ München beschreibt. Am 20. Januar finden in der Ludwig-Maximilians-Universität am Geschwister-Scholl-Platz 1 Vollversammlungen statt. Hier soll das Papier diskutiert werden.1

Die Ulenspiegel Druck und Verlag GmbH kann die steigenden Mieten in der Winterstraße 4 in Untergiesing nicht mehr zahlen. Außerdem sind die Betriebsräume zu klein geworden. Ulenspiegel zieht nach Andechs um.

In der alternativen Szene herrscht Uneinigkeit. Die einen sehen in der DDR zumindest den Staat, in dem die Eliten des weltumspannenden Kapitalismus über keine Macht verfügen. Auch habe die Systemkonkurrenz zur Folge, dass der Kapitalismus nicht entgrenzt wirke, sondern gebändigt zumindest soziale Standards gewähren müsse. Die anderen sehen im „ersten sozialistischen Staat auf deutschem Boden“ nur ein marodes Staatsgebilde. Natürlich unterscheide es sich vom NS-Regime, dessen industriell durchgeführter Völkermord einzigartig sei. Aber: Die Staatssicherheit der DDR mit ihren 270.000 Hauptamtlichen und ihren 600.000 „informellen Mitarbeitern“ (IMs) übertreffe bei rund sechzehn Millionen Einwohnern bei weitem den Apparat der Gestapo, die 1942 bei rund 80 Millionen Einwohnern „Großdeutschlands“ etwa 12.000 Hauptamtliche zählen konnte. Was ist das für ein „Sozialismus“, fragen sich große Teile der alternativen Szene in München, in dem jegliche Eigeninitiative erstickt werde und der 200.000 politische Häftlinge „verwahre? Dieser Art von Sozialismus weinen wir keine Träne nach. Im Gegenteil. Der sogenannte ‚realexistierende Sozialismus’ hat alle unsere gesellschaftlichen Alternativen unattraktiv gemacht und diskreditiert.“ Trotzdem: Der Wiedervereinigungs-Hype kann nicht unwidersprochen bleiben. Es kursieren diverse Papiere.2


1 Siehe „Den Widerstand im Alltag organisieren“.

2 Siehe „Gegen den großdeutschen Taumel“.