Flusslandschaft 1990
Militanz
Der Alltag in bayrischen Gefängnissen ist grausam und trostlos. In der JVA Straubing haben die Gefangenen Rolf Heißler1 zu ihrem Sprecher gewählt. Am 2. Juli weigern sich hundertfünfzig Männer in ihre Zellen zurückzukehren. Ein massiver Polizeieinsatz verfrachtet sie am 3. Juli in ihre Zellen zurück. Nachdem Heißler in den „Trakt gesteckt“ und damit isoliert wird, unterschreiben mehrere hundert Gefangene die Forderung, ihn wieder in den „normalen Vollzug“ zurückzuver-
legen. Heißler beginnt einen Hungerstreik. Schließlich erreichen die neu gewählten Sprecher Heißlers Zurückverlegung.2 Am 19. Juli wird er aber von Straubing in die JVA Stadelheim zwangs-
verlegt. Einige Leute, die das erfahren haben, gestalten am 29. Juli eine kleine Spontandemo vor der JVA. Am 2. August weigern sich hundertdrei Gefangene in der JVA Straubing, nach dem Hofgang wieder in die Zellen zurückzukehren und steigen dem Knast aufs Dach. Sie fordern u.a. Abschaffung der „Knastpsychiatrie“ im Haus III, höheres Arbeitsentgelt, Aufnahme in die Rentenversicherung, freies Fernsehen, Aufschluss bis Mitternacht. Am 3. August erobert das „Unterstützungskommando“ (USK) das Dach. Achtzig Gefangene werden darauf nach Stadelheim verbracht. Am 11. August demonstrieren etwa sechzig Menschen vor dem Gefängnis Stadelheim. Sie protestieren gegen die Zwangsverlegung der Gefangenen von Straubing nach München und fordern die Freilassung aller haftunfähigen Gefangenen sowie die Zusammenlegung der politi-
schen Gefangenen.3
2 Vgl. „Brief von Rolf zur Revolte in der JVA Straubing“ in Münchner Lokalberichte 15 vom 25. Juli 1990, 10.
3 Siehe „Kundgebung vor JVA Stadelheim trotz Verbotsdrohung durchgesetzt“.