Materialien 1985

Zum Treffen der Nationalistischen Front am 7. Dezember 1985 in München

Über Länder, Grenzen, Zonen
hallt ein Ruf, ein Wille nur.
Überall, wo Deutsche wohnen,
zu den Sternen dringt der Schwur:
Niemals werden wir uns beugen,
nie Gewalt für Recht ansehen:
Deutschland, Deutschland über alles
und das Reich wird neu erstehen!

Durch Zufall geriet Antifaschisten eine Einladung für ein Treffen der Nationalistischen Front (NF), veranstaltet von der „Bereichsleitung Süd“, in die Hände. Daraufhin gab es Diskussionen, was zu tun sei, ob das Treffen zu zerschlagen wäre, ob man es öffentlich machen sollte usw., aufgrund der mangelnden Organisierung musste eine erwogene Großaktion dann jedenfalls abgeblasen werden. Überschätzt hatte aber offensichtlich die Polizei die Antifaschisten in München, fuhr sie doch, versteckt in 300 m Entfernung auf einem Parkplatz eine ganze Hundertschaft Bereitschaftspolizei auf. Zusätzlich war die ganze Gegend mit Zivis durchsetzt, teils zu Fuß, teils in Fahrzeugen. Streifenwagen der Polizei waren ebenfalls in nicht mehr normaler Häufigkeit zu bemerken. Eine Großaktion wäre also in jedem Fall sowieso ausgefallen, und die wenigen Antifaschisten, die dann doch noch erschienen, mussten sich dann aufs Beobachtung beschränken.

Unerwartet viel Anhänger der NF waren auch noch erschienen, etwa 60, in einem Nebensaal der Gaststädte „Waldfrieden“ in Fürstenried. Männer überwogen auffällig stark, viele waren militaristisch gekleidet, mit Springerstiefeln, Bundeswehrhose/Hemd, Bomberjacke usw., ziemlich einheitlich, so dass man fast von Uniformierung sprechen konnte. Teils waren also ziemlich viele Jugendliche da, teils auch einige ältere. Die meisten kamen aus München und Umgebung, einige aus Nürnberg und dem gesamtbayerischen Raum. Etliche hatten Aufnäher „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein“, schwarz-weiß-rote Fahnenaufnäher auf den Jacken, Anstecker „NF“ u.ä. Im Saal, den man mit vorgelegter Einladung und nach einigen Fragen betreten konnte, waren zwei Fahnen der NF, schwarz mit roter, weiß umrandeter Schrift „NF“ zu sehen, und ein vorbereitetes Rednerpult. Sonst herrschte totale Enge im Saal, es war etwas bedrückend, in einem Haufen von Faschisten zu sitzen. Bis der Redner endlich sprach. verging mindestens eine Stunde, in der ununterbrochen nationalistische Musik den Saal berieselte. Seltsam, als Anarchist hier zu sein, und dann z.B. ein Lied, wo es unter anderem „Die schwarze Fahne empor …“ hieß, wo sogar antikapitalistische (?) Elemente drin waren, anhören zu müssen. Mit den Leuten am Tisch kamen noch kurze Gespräche in Gang. Es war gut möglich, einen etwas verunsicherten „Linken“ zu spielen, der nicht fest organisiert ist und sich jetzt aus Interesse ein solches Treffen anschauen will. Es wurde einem erklärt, dass die NF weder rechts noch links sei, sondern dass es von unten gegen das System hier gehe, rechts und links seien Schemata, die das System hier aufbringe, um Leute aufeinander zu hetzen …

Endlich eröffnete ein Vertreter der Ortsgruppe München die Veranstaltung, nicht ohne zu erwähnen, dass die NF nun seit einem Monat „Partei“ sei. Der Redner von der „Bereichsleitung Süd“, ein Mann Ende vierzig oder Anfang fünfzig, sprach, rhetorisch sehr gut, über „Die Dimension unseres Kampfes“. Als erstes wurde über die Grünen hergezogen, sie wurden als Hauptfeind der nationalen Kräfte hingestellt, die das deutsche Kulturerbe im Auftrag der Siegermächte zerstören wollten. Sogar zum „Morgenthau-Plan“ (Entindustrialisierung usw.) wurden Verbindungen hergestellt. Nach 1945 seien beispielsweise gezielt nach einer CIA-Liste, die schon 1943 erstellt wurde, Politiker an die Macht gehievt worden, die den Willen der Siegermächte vertreten würden, denen es um die Zerschlagung der deutschen Nation gehe. Genau die seien noch immer an der Macht. Ein wichtiges Mittel seien dafür die Grünen, es wurden nun hauptsächlich Verbindungen zu Schwulen, Pädophilen usw. … angesprochen. Zu den eigentlichen politischen Inhalten der Grünen wurde wenig gesagt, es wurden nur die angeblich „perversen“ Einflüsse von ihnen auf die Gesellschaft angeprangert.

Später gings um die „Ausländer“problematik. Es wurde die These vertreten, Deutsche würden im eigenen Land diskriminiert. Es wurden Fallbeispiele gebracht, wo Deutsche angeblich mit zu hohen Strafen wegen Auseinandersetzungen mit Ausländern bestraft worden seien, wo deutsche uniformierte Soldaten im eigenen Land aus einer italienischen Kneipe verwiesen wurden, durch deutsche Polizisten usw. Es wurde der Bevölkerungsrückgang der deutschen Bevölkerung in der BRD angesprochen, sowie der gleichzeitige Zuzug von Ausländern. Die Intention dieses Teils des Referats war klar: „Ausländer raus aus Deutschland“, weils eben zuviele seien.

Zu den Problemen in der „dritten Welt“ wurde am Beispiel der Sahelzone der schädliche Einfluss der „Weißen“ genannt, die durch den Bau neuer Brunnen die Vergrößerung der Herden der Einheimischen ermöglicht hätten, was zur Überweidung und zur Verwüstung des Landes geführt hatte. Die Entwicklungshilfe würde nicht den Hunger bekämpfen, sondern ihn vergrößern. Im übrigen sei Deutschland die „3.Welt“(-Macht?) zwischen Kapitalisten im Westen und Staatskapitalisten im Osten, müsse seiner Rolle gerecht werden, d.h. es zum Beispiel in der „3. Welt“ besser machen, was allerdings nicht wörtlich so gesagt wurde, aber gemeint war. Angesprochen wurden auch die Leistungen der deutschen Wissenschaftler, die die Raumfahrt auch der Amerikaner ermöglicht hatten, die das Plastikzeitalter eröffnet hatten, weil sie aus der Not, von den Rohstoffen in der „dritten“ Welt nach dem I. Weltkrieg abgeschnitten worden zu sein, eine Tugend gemacht hätten. Nach dem verlorenen II. hätte man den Fehler gemacht, wissenschaftlich-technisches Know-How den Siegermachten kostenlos zur Verfügung gestellt zu haben.

Zum Bereich „Behinderte“ wurde die Kampagne für die Gleichstellung Behinderter und die Anerkennung als normale Mitbürger angegriffen. Sowas sei zwar bedauerlich, dürfe aber niemals normal sein. Die Konsequenz, die sich aus einer solchen Logik ergeben müsste, Euthanasie, wurde allerdings nicht angesprochen. Danach wandte sich der Redner noch gegen die Abtreibungspraktiken in der BRD, die schädlich für das deutsche Volk wären. Bei dem derzeitigen Bevölkerungsrückgangstrend bestehe die Gefahr, dass für die arbeitsteilige Industriegesellschaft zu wenig Menschen vorhanden wären.

Dann wurden die Repressionen gegen die „Kameraden der Waffen-SS“, deren Leistungen man anerkannte, angesprochen. Alte Männer könnten sich nicht einmal mehr am Friedhof treffen, würden von vorne und hinten getreten, jetzt, wo sie alt seien, ihre Kraft in den Aufbau hineingesteckt hätten und sich nicht mehr wehren könnten, würden sie angegriffen. Auch die Kampagnen für das Verbot der NPD wurden angegriffen, besonders erschütternd sei, dass Deutsche gegen Deutsche mit dem Kontrollratsgesetz versuchten, vorzugehen. Es wurde noch gesagt, dass man nach diesem Gesetz über den Vorsitzenden der NPD die Todesstrafe aussprechen könnte, was zu ein wenig Belustigung führte.

Zur Linken wurde gesagt, dass ihr gezielt nationale Elemente weggenommen würden, sie deshalb nicht vorwärtskommen könne. Nur die NF vertrete die richtigen Ziele und würde auch dafür kämpfen. Gegen Ende wurde noch gesagt, wenn das, was die NF vertrete, als faschistisch denunziert würde, dann solle man es ruhig faschistisch nennen. Erwähnt wurde auch der Strasser-Flügel der NSDAP, es wurde irgendwie bedauert, dass er nicht zur Hauptrichtung geworden ist, aber Adolf Hitler wurde, als er im Referat kurz auftauchte, keineswegs angegriffen. Sonst wurde auch noch erklärt, dass es müßig sei, ob keiner, Tausende oder 3 Millionen Juden in den KZs umgekommen seien, hier würde gezielt von den Siegermächten ein Komplex aufgebaut.

Zum Abschluss kam dann noch die Erklärung, wenn die nationale Bewegung weiter unterdrückt werde, nicht einmal den Begriff „Volksgemeinschaft“ sagen dürfe, dann würden sie nicht mehr mit der flachen Hand grüßen, eher Symbol des Friedens, sondern mit der Faust, als Zeichen für den „nationalistischen Klassenkampf“.

Der offizielle Teil der Veranstaltung, wurde dann mit dem Absingen des Deutschlandliedes, 1. und 5. Strophe (neugedichtet), beendet (siehe Kasten).

Zum Schutz der Bullen für die Veranstaltung, auf dem nach den Gesetzen dieses Staates strafbare Handlungen begangen wurden, ist noch zu sagen, dass die Faschos nichts davon bemerkten. Lediglich einige Zivis in der Wirtschaft selber fielen ihnen auf. Anscheinend (?) glauben sie z.T. selber die These, sie würden von diesem Staat bekämpft. Wenn sie einen Blick auf das Aufgebot, dass gegen die Antifaschisten aufmarschiert war, geworfen hätten, hätten sie die Trugschlüsse einiger ihrer Thesen sofort erkennen müssen. Warum schützen die Bullen hier die Faschisten, sogar wenn sie zu Straftaten bereit sind bzw. welche begehen? Die einzige Aktion der Bullen an diesem Tag bestand aus der Personalienfeststellung eines Antifaschisten, der die Veranstaltung beobachtet hatte. Seltsam ist, dass die Faschos den Saalschutz schlecht organisiert hatten, selbst mit wenigen Leuten hätte man die Veranstaltung durch einen Überraschungsschlag verhindern können, oder gabs vielleicht doch Kontakte zu den Bullen, weshalb sie sich sicher glaubten?

Zu dem Ganzen muss festgestellt werden, dass die NF gefährlicher als bisher vermutet ist. Die Zahl der organisierten Mitglieder in München dürfte sich auf mindestens 30 wenn nicht 50 belaufen, wobei die meisten als militant einzustufen sind. Sie sind hierarchisch organisiert, was sich z.B. daran zeigte, dass es nur die Rede gab und keine Diskussion, oder auch am Begriff (Be)Reichsleitung Süd. Bundesweit gibt es mindestens   einige Hundert organisierte Mitglieder. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die NF sich noch im Aufbau befindet, und dass es gelingt, verschiedene Schichten anzusprechen wie Jugendliche, Skins, Arbeiter, „Kleinbürger“ und Mittelschichten. Da linke Thesen in ihre Ideologie eingeflochten sind, hat sie bessere Propagandamöglichkeiten, als wenn sie z.B. offen faschistische Ideologie betreiben würde. Wenn man sich die Konsequenz aus den ldeengerüsten allerdings genauer betrachtet, dann ist klar, dass es sich um Faschisten handelt. Zwar wird eine „Soziale Revolution“ gefordert, aber ein Einkommen entsprechend den Leistungen, die jeder für die Volksgemeinschaft erbringt, und nur das Großkapital wird angegriffen. Zwar wurde gesagt, es gebe einen Kampf von unten nach oben, gleichzeitig ist die NF extrem führerkultmäßig organisiert. Bei der Veranstaltung wurde das Referat immer wieder durch tosenden Beifall unterbrochen, das war die einzige Möglichkeit, seine Meinung kundzutun. Dazu kommen die Solidarität mit der Waffen-SS einst und heute, die Berufung mindestens auf Strömungen in der NSDAP, der Kampf gegen „Unmoralisches“ (Schwule, Behinderte, „Kriminelle“, Ausländer …), wo eben alles bis auf die logischen Konsequenzen :gesagt worden ist.

Für uns kann die Konsequenz nur sein, die NF mit allen Mitteln und auf allen Ebenen zu bekämpfen.

KEINE FREIHEIT FÜR DIE NATIONALISTISCHE FRONT!
SCHLAGT DIE FASCHISTEN, WO IHR KÖNNT!


freiraum 12 vom Januar 1986, 30 f.