Flusslandschaft 1979
Alternative Medien
Die Alternativen können machen, was sie wollen, ihre Ideen werden abgeschöpft, verwurstet und in den üblichen Verwertungszusammenhang gestellt. Knofo meint, auch das Blatt sei schon mit seinen Kleinanzeigen korrumpiert: „… Leute, Ihr werdet gekauft – Ihr verkauft Euch! Guckt Euch doch mal die neueste Werbeanmacherei für Suzuki an: ‚Das richtige Fortbewegungsmittel für Spontis, Anti-impis, Stadtindianer, Altsozis und sonstige Chaoten. Nur Scheiße, dass es der Kapita-
lismus erfunden hat.’ Wann erscheint diese Anzeige bei Euch? …“1
Heinz Jacobi „gratuliert“ dem neuen Bundespräsidenten Carl Carstens. Es folgen Beschlagnah-
mungen, nicht nur vom Blatt, sondern auch vom Augsburger Podium, vom Huglfinger Regen-
bogen, von einer Regensburger Zeitung und vom Oberschwäbischen Motzer, die Jacobis Brief nachgedruckt haben.2 – „Unser innigstgeliebtes Blatt, Deutschlands unverschämteste Stadtzei-
tung, Münchens gutes Gewissen, schon mehrfach zur Hölle gefahren, am 14. Tag immer wieder auferstanden, Alptraum unserer Justiz, von Kultusminister Maier und seinen Hinterzimmer-
männern als reines Teufelswerk angesehen, Pfahl im Fleische des Freundeskreises Maria Goretti + seiner allzu katholischen Sexmuffelgarde – dieses unser Münchner Blatt ist bei seinem 146. Er-
scheinen von uns gegangen worden. Sein treuester Leser, der Staatsanwalt Steiner, hat die gesamte Auflage für sich und seine Mannen beschlagnahmen lassen. Damit den Hütern unserer FDGO kein Leid geschieht, kamen sie zu Hauf und mit Maschinenpistolen bewaffnet, um Münchens kriminell-
ster Vereinigung, dem sogenannten Blattkollektiv, das Handwerkszeug abzunehmen, d.h. die ge-
samte Kundenkartei, auf dass Big Brother Herold neue Arbeitsplätze bekomme. Unser bayrischer Starpamphletist Heinz Jacobi hatte im Blatt das Modell Deutschland ein ‚Gebilde aus Anmaßung, Dreck, sinnfreier Ordnung, Mord, Übermut der Ämter, Gewissenlosigkeit und Zynismus’ genannt. Er hält unseren hochverehrten Herrn Bundespräsidenten Karl Carstens ‚für prädestiniert – wie die Globke, Oberländer, Seebohm usf. usf.: wie alle Altnazis in führender Position diesen mörderi-
schen Staat zu vertreten.’ Solch mörderischen Tabak kann keine Staatsgewalt der Erde rauchen, ohne Schaden an ihrer Seele zu nehmen! Gott der Allmächtige verleihe dem Herrn Staatsanwalt ein sonniges Gemüt für die Tage des Gerichts, damit unser Freund Heinz Jacobi und die Kollegen vom Blatt vor allzu schweren Strafen verschont bleiben. Wir beten für sie!“3 – Leserinnen und Leser rechnen dem Blatt hoch an, dass es sich traut, über die Grenzen zu gehen. Ein Leser warnt vor Gefahren aus den eigenen Reihen.4 Am Ende droht sogar dem Unabhängigen Jugendzentrum Eschhaus in Duisburg die Schließung. Die Jugendlichen haben Jacobis Brief auch veröffentlicht.5 Am 15. Februar 1980 beginnt im Saal A 122 im Justizgebäude in der Nymphenburgerstraße der Prozess gegen Jacobi und den presserechtlich Verantwortlichen von Blatt 146 um 8.30 Uhr in der Früh’.
1 Blatt. Stadtzeitung für München 150 vom 13. Juli 1979, 25.
2 Siehe „Sehr geehrter Herr Professor“ und „Glimpf und Unglimpf“ von Heinz Jacobi; vgl. Blatt. Stadtzeitung für München 155 vom 21. September 1979, 21.
1 Fliegenpilz. Zeitschrift für Politik und Literatur 4/1979, 28.
4 Siehe „Sehr geehrte Spezialspetzeln“ von Schlö.
5 Vgl. Blatt. Stadtzeitung für München 153 vom 24. August 1979, 15.