Flusslandschaft 1972

Gewerkschaften/Arbeitswelt

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- DGB

- Arnold & Richter
- Bavaria-Fluggesellschaft
- BMW
- Druckindustrie
- Krauss-Maffei
- Metzeler
- Rodenstock
- Schwabinger Krankenhaus
- Siemens
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Bundestags-Oppositionsführer Barzel will im April die Regierung Brandt/Scheel stürzen. Bei BMW kommt es zu einem 20minütigen Warnstreik. Gestreikt wird auch bei Obpacher, beim Süddeut-
schen Verlag
, bei Geißler und bei Francis-Druck. Für Freitag, den 21. April, 19 Uhr, lädt die IG Metall in den Festsaal vom Mathäser zur Kundgebung für die Ratifizierung der Verträge von Mos-
kau und Warschau.

In der Arbeitersache sind deutsche, italienische, griechische und jugoslawische Arbeiter aktiv. Die Gruppe nennt sich „multinational“, nicht wie dreißig Jahre später üblich „multikulturell“. Sie feiert am Vorabend des Ersten Mai ein großes Fest im Pschorrkeller an der Theresienhöhe 7.1 Am Ersten Mai führt die Arbeitersache eine eigene Demonstration vom Münchner Norden in die Innenstadt durch. Vor den Wohnhäusern wird skandiert: „Zu viert auf einem Zimmer/Das ist eine Qual/
Wohnheime/Sind katastrophal.“2

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Tommi Busse spielt auf einem Straßenfest der Arbeitersache in Milbertshofen.

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Bei den 68ern hieß es: „Trau keinem über 30!“ Klar, dass ihre Kontrahenten ebenso hipp auftreten. Zur Bundestagswahl am 19. November am schaltet der Münchner Arbeitskreis Soziale Marktwirt-
schaft
diese Anzeige in Zeitungen und lässt sie auch als Plakat kleben.

DGB

Das Motto des DGB zum Ersten Mai lautet: »Für eine bessere Welt — DGB.« An der Kundgebung5 nehmen etwa fünfundzwanzigtausend Menschen teil. Die Hauptforderung der Demonstranten ist die Ratifizierung der Ostverträge von 1970 durch den Bundestag. DGB-Funktionäre fordern die Polizei auf, das Haupttransparent der Arbeiter-Basisgruppen (ABG) zu beschlagnahmen. Die Poli-zei kann aber die Mauer der das Transparent Schützenden nicht durchbrechen. Die ABG führen im Anschluss an die Kundgebung eine eigene Demonstration mit großer Beteiligung durch. Um 14 Uhr versammeln sich etwa sechshundert Menschen im Hackerkeller an der Theresienhöhe 4.

Die Konjunktur zu Beginn der Sechziger Jahre war hervorragend. Auch die „Arbeitskraftreserve“ Frauen war erschöpft. Woher noch Arbeitnehmer nehmen!? „Goldene Lebensbedingungen“ versprach das Wirtschaftswunderland und warb im Ausland um Gastarbeiter. Es kamen Italiener, Spanier, Jugoslawen, Griechen und Türken. Ende der sechziger Jahre beschäftigte ein Teil der Münchner Großbetriebe zu über fünfzig Prozent ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeit-
nehmer. 1971 lebten allein in München 160.000. Während der Konjunktur wurden sie gerufen –
in der Krise sollen sie wieder gehen! Eine neue Form des Kolonialismus!

1972 sind allein im Bereich der IG Metall-Verwaltungsstelle München von neunhundertneun Betriebsräten vierundsechzig ausländische Kollegen. Münchner Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter arbeiten mit ausländischen Kolleginnen und Kollegen im eigenen Werk eng zusammen und sind solidarisch mit unterdrückten Arbeiterinnen und Arbeitern in anderen Ländern. Aber sie erheben nicht nur ihre Stimme, sondern leisten auch praktische Hilfe. Kleine Beispiele für die solidarische Unterstützung der Münchner Gewerkschaften: Schon 1962 ließ die
IG Metall den Manteltarifvertrag von 1959 von Georg Jannidis übersetzen und in griechischer Sprache drucken …

Am 10. April 1962 fuhr der Münchner DGB gemeinsam mit der griechischen Kulturgemeinde nach Hausham am Schliersee. „… Teilnehmerkarten zum Preise von 12 DM wurden ausgegeben jeden Samstag von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr bei Kollegen Kaminas im Gewerkschaftshaus …“ … Anfang 1966 veranstaltete der Münchner DGB für griechische Kolleginnen und Kollegen einen 3½ Monate dauernden kostenlosen Kurs über die Geschichte der Arbeiterbewegung, Betriebsarbeit, Arbeits-
recht, Sozialrecht und Sozialpolitik in griechischer Sprache.

Am 22. Oktober 1972 kommt es zu einer Kundgebung gegen das Ausländergesetz.6

ARNOLD & RICHTER

27. November: Bei Arnold & Richter (ARRI), Türkenstraße 89 in der Maxvorstadt, streiken in dieser Woche zweihundert Lohnabhängige nach der Mittagspause eine halbe Stunde lang für
mehr Weihnachtsgeld und erreichen einen Teilerfolg.

BAVARIA-FLUGGESELLSCHAFT

In den Nachtstunden vom 12. zum 13. September findet bei der Technik der Bavaria-Fluggesell-
schaft
eine spontane Arbeitsniederlegung statt. Die Kollegen sind durch Entlassungen beunruhigt und erfahren an jenem Abend, dass für die Gekündigten englische Leiharbeiter eingesetzt werden sollen. In einem Gespräch mit der Geschäftsführung am selben Tage kann erreicht werden, dass diese Arbeitskräfte nur vorübergehend beschäftigt werden.

BMW

„Liebe Kollegen! Über den Rohbau habt Ihr noch wenig geschrieben. Deshalb möchte ich Euch einen Leserbrief senden. Ich hoffe, Ihr könnt ihn in der ‚Zündung‘ unterbringen. Bei uns am ‚1600er Band‘ ist es am Schlimmsten . 270 Karossen müssen wir in einer Schicht schaffen. Das heißt, alle 1,8 Minuten ein Wagen. Das Band ist damit auf seiner höchsten Belastung angelangt. Da bleibt uns kaum noch Zeit zum Schnaufen. Erst recht, wenn durch diese Arbeitsbedingungen viele Kollegen krank sind. Dann kommen auch die wenigen Springer nicht mehr hin und her! Bis zur letzten Minute müssen wir am Band bei der Arbeit sein. Dazu kommt der Krach vom Blech. Viele Teile müssen nachgeklopft werden. Es gibt zwar schon Hallenwände, die schallhemmend wirken – aber nicht im Rohbau bei BMW. Bei 90 Phon leidet das Gehör, der Magen und Kreislauf. Und so sagen die Kollegen, im Rohbau soll der Lärm oft bis zu 200 Phon betragen. Eine richtige Messung in Phon wäre sicherlich einmal sehr aufschlußreich, vor allem in Hinblick auf die Nervenbelastung, die der Lärm mit sich bringt. Das wäre übrigens auch eine Aufgabe für den Betriebsrat. Er hat doch nach dem neuen BVG etwas mehr Rechte bei der Arbeitsplatzgestaltung. – Aber glaubt nicht, daß es den Kollegen am ‚Großen Wagen‘ besser geht. Die haben zwar ‚nur‘ 90 Wagen zu schaffen. Sie müssen dafür mehrere Arbeitsgänge machen. So kommt es auf das selbe raus. Die Kollegen auf 32d haben oben am Band noch dazu stark unter der Hitze zu leiden, die uns zum Glück weniger zu schaffen macht. Bei uns ist es vor allem am Montag morgens eher zu kalt. Die Lüftung taugt eben nichts. Wie ich höre, haben sogar Meister und Einsteller schon deswegen moniert. Aber da wird wohl kein Geld da sein. Wenn man daran denkt, was Herr Hahnemann für eine Abfindung be-
kommt, und sein Nachfolger wird auch nicht weniger wollen, so kann man sich das ja denken. Aber da heißt es immer, daß es bei BMW die Mitbestimmung gibt und daß alle Probleme gelöst sind. Wo ist denn die Mitbestimmung, so fragen wir Bandarbeiter. Ich meine, wir brauchen Vertreter, die die Rechte der Tarifverträge und des Betriebsverfassungsgesetzes voll ausschöpfen. Darüber hin-
aus müssen wir endlich die gewerkschaftliche Forderung nach echter Mitbestimmung durchsetzen, um eine wirkliche Änderung der Zustände zu erzwingen. (K. H.)“7

„Unsere letzte Statistik über das frühzeitige Sterben von BMW-Arbeitern und -Angestellten hat Herrn von Kuenheim nervös gemacht. Die Listen bei den Ausgängen von BMW sind entfernt worden. Fürchtet Herr von Kuehnheim, daß nach unserer Publikation die Kollegen sich genauer die Jahreszahlen der Verstorbenen anschauen und somit ihre eigene Lage besser erkennen? Wenn die Herren von BMW meinen, sie müßten diese bedrohlichen Umstände verheimlichen, dann werden wir die Kollegen Betriebsräte Winschin, Hentschel, oder wer auch immer die Totenlisten verliest , bitten, beim nächsten Mal deutlich das Lebensalter und evtl. Invalidität der betreffenden Kollegen mitzuverlesen. Es ist höchste Zeit, daß der Betriebsrat Alarm schlägt. Hunderte Fluktu-ationen im Jahr. Man hält die Akkordschinderei einfach nicht aus. Und denen, welche aushalten müssen, raubt man Jahrzehnte ihres Lebens.“8

Italiener kommen nach einer einjährigen Ausbildung an einer Facharbeiterschule in Italien mit einem Arbeitsvertrag zu BMW, finden aber hier oft nicht den Arbeitsplatz, der ihrer Qualifikation entspricht. Ende Mai/Anfang Juni kommt es im Betrieb zu einem spontanen Streik von etwa hundert Italienern, der von der Lotta Continua und der Arbeitersache unterstützt wird. Der Streik geht verloren.9

Viele Arbeiter weigern sich, Sonderschichten zu fahren. Da werden die von der Spätschicht ange-
halten, zur morgendlichen Sonderschicht zu kommen. Für sie ist um 23 Uhr Arbeitsende, um 1 Uhr sind sie im Bett und um 4.30 Uhr stehen sie wieder auf, weil die Frühschicht um 6 Uhr beginnt.10

„Der Tod vor BMW. Vor dem Ausgang Dostlerstraße liegt ein Arbeiter in seinem Blut. Der BMW-Krankenwagen rast aus dem Werk . Fährt nach 2 Minuten wieder zurück. Nicht zuständig für außerhalb des Werkes? Der Arbeiter liegt weiter auf der Straße. Hunderte Kollegen rätseln ob er tot sei. Sie schimpfen verbittert. Das mußte ja mal passieren! Das war am 7. Juli 1972. Am 13. Juli wurde wiederum ein Arbeiter vor dem Südtor Dostlerstraße totgefahren. WIR FORDERN FUß-
GÄNGERSTREIFEN UND 20 KM-BEGRENZUNG!“11

DRUCKINDUSTRIE

Anfang des Jahres eskaliert der Streit zwischen dem Ortsvorstand der Industriegewerkschaft Druck und Papier (DruPa) und den Arbeiter-Basisgruppen (ABG), die vor allem im Pressehaus Bayerstraße, Paul-Heyse-Straße 2 – 4, gut vertreten sind. Am 17. Januar kommt es bei einer Versammlung im Gewerkschaftshaus an der Schwanthalerstraße 64 mit zweihundertfünfzig Teilnehmern zu einer Entschließung gegen die ABG. — Für die laufenden Tarifverhandlungen
heißt die kämpferische Parole auch unter dem Einfluss der AGB „Kein Prozent unter zehn Prozent“. Am 19. Februar wird die Drucktarifrunde mit einem Ergebnis von 7,5 Prozent und
einer Laufzeit von 14 Monaten (bis zum 31. März 1973) abgeschlossen; viele DruPa-Mitglieder
sind sauer.

Die Münchner ABG sind offenbar so bedrohlich, das die obersten Gremien in der DruPa reagieren. In der Nr. 4 der druck und papier der DruPa erscheint u.a. ein Artikel von Leonhard Mahlein über „Die sogenannten ‚Neuen Linken’ – Beginn einer notwendigen Auseinandersetzung“. In letzter Zeit habe man auch im Organisationsbereich der DruPa sektiererische Gruppen bemerkt, die sich Ba-
sisgruppen, Rote Zellen, Marxisten-Leninisten, Spartacisten (auch mit k), Trotzkisten, Maoisten, Proletarische Linke, Parteiinitiative usw. nennen und mit der DKP nichts gemein haben. Diese Gruppen nämlich treten für die Lehren von Marx, Engels, Lenin, Trotzki, Stalin und Mao Tse-tung auf. Sie sehen sich selbst als Kommunisten, könnten aber in Wirklichkeit nur als ein paar ideolo-
gische Spinner bezeichnet werden. Mahlein beschreibt die Strategie der Münchner ABG und fol-
gert: „Der Versuch zur Zersplitterung der Arbeiterbewegung ist eindeutiges faschistisches Wesens-
element und zugleich typisches Merkmal für diese Sektierergruppen. Die Inhalte ihrer Schmier-
blättchen sind voll von Widersprüchen, Unausgegorenheiten, Verdrehungen und Unterstellungen, wie sie der Mentalität von politisch unausgereiften, verworrenen ‘Intellektuellen’ entsprechen, die selbst noch nicht gearbeitet haben und die Gewerkschaften nur vom Hörensagen kennen.“12

Die DGB-Jugend demonstriert am 1. September, dem Antikriegstag. Hans Zintl, Mitglied der DruPa, versucht gemeinsam mit Mitgliedern der ABG den Demonstrationszug auf den Marienplatz zu leiten. Am 5. Oktober entscheidet der Ortsvorstand der DruPa, Zintl aus der Organisation aus-
zuschließen. Auch Oppenauer, Vertrauensmann beim Münchner Zeitungsverlag im Pressehaus Bayerstraße und seit Mai Betriebsratsmitglied, soll ausgeschlossen werden.

Im Münchner Ortsverein der DruPa findet Anfang Dezember eine Mitgliederversammlung statt, auf der über die Ausschlussanträge gegen Hans Zintl und Oppenhauer wegen ABG-Unterstützung diskutiert wird. Zintl bekennt sich zur Mitgliedschaft in den ABG. Die ABG berichten, dass die Betriebsratsvorsitzenden von Oldenbourg, Francisdruck und dem Buchgewerbehaus im Namen ihrer Betriebsräte für den Ausschluss eingetreten seien, der dann schließlich mit einhundertein-
undfünfzig Stimmen gegen siebenundsiebzig und bei siebzehn Enthaltungen vollzogen worden sei. Für den Ausschluss haben auch DKP-Mitglieder gestimmt. Da Zintl Ortskassierer ist, wird von den genannten Betriebsräten der Betriebsratsvorsitzende des Süddeutschen Verlages als neuer Kandi-
dat für diese Funktion vorgeschlagen. Die ABG hatten zuvor in Flugblättern die Beibehaltung von Zintl als Ortskassierer gefordert, ihn aber nicht vorgeschlagen und auch nicht gewählt. Die Wahl habe dann Guttenberger, der aus einem mittleren Papier-Betrieb und Pappe-Betrieb komme, gewonnen.

KRAUSS-MAFFEI

„AKKORD-STUTZER. Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat tauchten Zeitnehmer einer anderen Firma in der Kernmacherei auf. Den Kollegen wurde erzählt, ihre Aufgaben seien Akkordstudien, die nichts mit Krauss-Maffei zu tun hätten. Mit solchen Beschwichtigungen wurde das anfängliche Mißtrauen in der Kernmacherei abgebaut. Die Kernmacher spendierten mal ein Bier und bald entstand zu dem Zeitnehmer ein freundschaftliches Verhältnis. Aus allen Wolken fiel man in der Kernmacherei, als die Betriebsleitung eröffnete, daß eine Kürzung der Vorgabezeit bei einem be-
stimmten Auftrag durchgeführt werden muß, weil sich herausgestellt hatte, daß die alten Vorga-
bezeiten für die Kollegen zu günstig waren. Schon gegen 15 Uhr hätten sie ihr Soll erreicht und dann würde kaum noch etwas getan. Die Kernmacher hatten mittlerweile erkannt, daß der ‚liebe Zeitnehmer’ alle seine Beobachtungen der Betriebsleitung gemeldet hatte, worauf diese ihre Kon-
sequenzen zog. Und die Kernmacher hat man ganz schön reingelegt, für sie heißt es jetzt ‚schaff schneller, Kollege!‘ Diese Begebenheit sollte eine Warnung an alle Kollegen sein, auf solche oder ähnliche Tricks nicht reinzufallen. Falls sie mal einen Auftrag bekommen sollten, bei dem sie aufgrund ihrer Fähigkeit und der Vorgabezeiten gute Akkorddurchschnitte erreichen, sollten sie so arbeiten, daß es nicht zu Akkordkürzungen führt. Sie handeln dabei im eigenen und im Interesse ihrer Kollegen.“13

METZELER

„Der dicke Hund des Herrn Kaus. ‚Im Mittelpunkt allen Wirtschaftens steht der Mensch‘, so lernen alle kaufmännischen Lehrlinge und Handelsschüler. Leider nur ein schöner Spruch. Wir sehen das neuerdings wieder bei Metzeler. Der Milliardär Kaus bezeichnet sich bei jeder Gelegenheit als sozi-
al, als Vater seiner ‚lieben Mitarbeiter‘. Im von ihm herausgegebenen Werksjournal preist er sich als der ‚erste Arbeiter seines Unternehmens‘ an. Gleichzeitig schreibt er, daß sein Handeln für die Metzeler-Firmenfamilie sorgt und vorsorgt! Wie es in Wirklichkeit damit steht, zeigt die neueste Masche des Herrn Kaus! RATIONALISIERUNG AUF KOSTEN DER ARBEITER UND ANGE-
STELLTEN. Ältere Kolleginnen und Kollegen – darunter sogar Schwerbeschädigte – langjährige ‚liebe Mitarbeiter‘ – darunter Kollegen, die schon 20 Jahre und länger im Betrieb arbeiten – werden von der Betriebsleitung gedrängt, selbst zu kündigen und vorzeitig in Rente zu gehen. Ganz offen wird ihnen gesagt, daß rationalisiert und das Personal abgebaut wird! ARBEITER WEHREN SICH. Zu Recht haben die Kollegen dieses unverschämte Angebot abgelehnt! Sie erklärten sich nur unter der Bedingung einverstanden, wenn ihnen die Differenz zwischen Stempelgeld und Arbeits-
verdienst bzw. zwischen Rente und Arbeitsverdienst bezahlt wird. Darüber hinaus fordern sie das ihnen durch vorzeitiges Ausscheiden verlorengehende Treuegeld, die volle Werksrente und Weih-
nachtsgratifikation. Dies wurde von den Metzeler-Bossen abgelehnt … Herr Kaus soll zahlen!“14

RODENSTOCK

„… Im Parterre (Stanzerei, Hämmerei, Waschanlage) ist die Entlüftung in einem miserablen Zu-
stand. Anstelle einer funktionierenden Klimaanlage sind Spraydosen angebracht, die Parfümduft aussprühen. Die Innentemperatur kletterte im Sommer auf 28 Grad. Unsere Kollegen im Parterre müssen also die Fenster öffnen. Darüber beschweren sich dann die Kollegen im 1. Stock. Die müssen dann nämlich die Fenster geschlossen halten schon deswegen, weil es sonst bei ihnen so unerträglich laut ist, daß sie z.B. nicht mehr telefonieren können: sie verstehen einfach nichts mehr. Es ist wissenschaftlich erwiesen, daß schon 90 Phon gesundheitsschädigend sind. Wir geben uns nicht damit zufrieden, daß die Leute zum Arzt geschickt werden, der feststellen soll, ob sie bereits Gehörschäden erlitten haben, wir fordern Abhilfemaßnahmen. Wenn Sie, Herr Rodenstock, nicht von sich aus dafür sorgen, dann werden wir mal mit unserem Betriebsrat darüber sprechen, daß er die Gewerbeaufsicht einschaltet …“15

SCHWABINGER KRANKENHAUS

„Der beim Ortsverband München der Humanistischen Union bestehende Arbeitskreis Mitbe-
stimmung, der in richtiger Einschätzung seiner praktischen Möglichkeiten seine Arbeit auf einen konkreten Betrieb, nämlich das Schwabinger Städtische Krankenhaus, konzentriert, hat einen Erfolg errungen. Anfang des Jahres hatte der Arbeitskreis ein Flugblatt herausgegeben, in dem die angebliche Demokratisierung und Einrichtung einer demokratischen Selbstverwaltung, wie sie durch das Münchener Krankenhausreferat verkündet wurde, der Wirklichkeit im Krankenhaus gegenübergestellt wurde. Kurz darauf wurde die für das Flugblatt verantwortlich zeichnende Krankenschwester angeblich wegen unzulänglicher Dienstleistungen entlassen Vor dem Arbeits-
gericht musste jetzt die Städtische Krankenhausverwaltung die Entlassung wie die Entlassungs-
gründe zurücknehmen.“16

SIEMENS

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Zeichnung: Guido Zingerl

Die Herren in den oberen Etagen malen gerne das Bild von der großen Siemens-Familie, von den zufriedenen Mitarbeitern, die beseelt sind vom »Geist des Hauses Siemens«. Die Malocher unten sehen es ganz anders.18 Aber wenigstens profitiert die Stadt München dabei, oder?19

ZÜNDAPP

Die Betriebsgruppe Zündapp der ABG gibt im Januar die erste Nummer ihres „Zündfunken“ heraus. Bis zum Januar 1974 erscheinen 25 Nummern.20

(zuletzt geändert am 12.9.2025)


1 Siehe dazu auch „Eine qualitativ neue Sache …“.

2 Interview Hella Schlumberger mit Christine Dombrowsky im Januar 1993, zwei Kassetten im Archiv 451 im Archiv der Münchner Arbeiterbewegung.

3 Fotosammlung „Blatt, Basis, Trikont …“, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

4 Privatsammlung

5 Fotos von Rudolf Pröhl befinden sich in der Fotosammlung des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung 244/1972.

7 Die Zündung. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die BMW-Arbeiter 2/1972, 7, Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

8 Die Zündung. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die Arbeiter und Angestellten bei BMW 5 vom 27. Mai 1972, 2 f., Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

9 Siehe „Arbeitersache“ von Simon Goeke, „Wir wollen alles!“ von Roman und „Bei BMW wird gestreikt“.

10 Siehe „Sonderschichten zugunsten der BMW-Belegschaft?“.

11 Die Zündung. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für die BMW-Arbeiter vom August 1972, 6, Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

12 druck und papier 4 vom 21. Februar 1972.

13 Der Hammer. Zeitung der DKP-Betriebsgruppe für Krauss-Maffei vom Dezember 1972, 5, Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

14 DKProfil. Zeitung der DKP für die Kolleginnen und Kollegen von Metzeler 4 vom Juli 1972, 1 f., Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

15 Die Lupe. Zeitung der DKP für die Belegschaft der Firma Rodenstock 5 vom September 1972, 7 f., Nachlass Zingerl, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung

16 Mitteilungen der Humanistische Union 56 vom April/Mai 1972, 7.

17 Arbeitsgruppe beim Bezirksvorstand der DKP Südbayern (Hg.), Die große Siemens Familie, München 1972, 97.

18 Siehe „Vom Unfallschutz bis zur sozialpolitischen Bildung – Der Mensch im Mittelpunkt?“.

19 Siehe „Siemens in München – „Ort der Harmonie und der Lebensfreude“?“.

20 Siehe www.mao-projekt.de/BRD/BAY/OBB/Muenchen_IGM_Zuendapp_ABG_Zuendfunke.shtml.