Flusslandschaft 1979

Bürgerrechte

Die Illustrierte Stern berichtet am 8. Februar, der Münchner Rechtsanwalt Jürgen Arnold sei vom Bundesamt für Verfassungsschutz observiert worden. Sein Telefon habe man seit August 1975 ab-
gehört, Briefe an ihn seit August 1975 geöffnet. Zudem hätte man im Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz darüber diskutiert, ob man mit Hilfe eines Einbruchs Wanzen in den Büroräu-
men des Rechtsanwalts anbringen solle. in einem Verfassungsschutzdossier heißt es: „Arnold sei im Rahmen der Münchner Szene und zum Teil darüber hinaus eine zentrale Figur im Anarcho-Terrorismus.“ Zunächst ist die Rechtsanwaltskammer für den Oberlandesgerichtsbezirk München empört und fordert rigoros eine lückenlose Aufklärung der Sachverhalte. Schließlich haben die Be-
hörden den Bericht der Illustrierten nicht dementiert. Da glühen Telefonleitungen, wechseln Briefe zwischen Kammer und Ministerien … Am Ende ist die Kammer als Löwe gesprungen, als Bettvorle-
ger … Sie schreibt am 18. September an die Sprecherin des Republikanischen Anwaltsvereins e.V. Regionalgruppe Oberbayern/Schwaben, Rechtsanwätin Heide Jantke: „… Der Stern-Bericht, der uns nur in der uns von Herrn Kollegen Dietrich zugeleiteten Ablichtung und deshalb möglicher-
weise unvollständig vorliegt, enthält zwar viele Einzelheiten,es bleibt jedoch offen, was Wiedergabe von Akteninhalten ist und was lediglich der journalistischen Abrundung der Geschichte dienen soll. So finden wir in dem uns vorliegenden Teil des Stern-Berichts keinerlei Hinweise auf eine Be-
teiligung des Bayerischen LfV an den behaupteten Aktionen (Telefon- und Postkontrollen) … Im vorliegenden Fall hat ein sog. ‘Lauschangriff’ offenbar nicht stattgefunden — möglicherweise gera-de deshalb, weil eine Erörterung stattgefunden hat …“1

Der Verfassungsschutz sucht Informanten, die ihm Informationen über suspekte Gruppierungen liefern. Einer der Angesprochenen spielt hier nicht richtig mit.2

Berufsverbote: Am 1. März 1974 schrieb die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig eine Stelle „Professur Kunstwissenschaften“ aus. Der Münchner Kunsthistoriker Dr. Richard Hiepe wurde zur Berufung vorgeschlagen, die niedersächsische Landesregierung lehnte am 9. April 1976 ab. Im Sommersemester 1978 übernahm die Münchner Kunsthistorikerin Dr. Gabriele Sprigath die Vertretung. Auch sie wird nicht bestätigt, erhält aber für den 26. April 1979 eine Vorladung vor die Anhörkommission beim Niedersächsischen Ministerium des Innern.3

Zwar hat der Bundesgerichtshof die Geschäftsführer des Trikont-Verlages (Kistlerstraße 1) in der causa Bommi Baumann: „Wie alles anfing“ freigesprochen, der Trikont-Verlag sitzt aber immer noch auf etwa 100.000 DM Schulden, die infolge der Beschlagnahmungen und der polizeilichen Maßnahmen entstanden sind. Nun entscheidet die 16. Strafkammer des Landgerichts München I am 13. Juni, dass „eine Entschädigung aus der Staatskasse zu versagen ist“.4

Polizisten malträtierten am 9. August 1978 Peter Schult im Münchner Hauptbahnhof. Am 16. Juli 1979 soll er sich vor dem Amtsgericht wegen „Widerstands gegen die Staatsgewalt, Körperverlet-
zung und Nötigung“ verantworten.5

Im Januar 1972 trat der sogenannte Radikalenerlass in Kraft, wonach eine aktive Verfassungstreue Voraussetzung für die Einstellung in den öffentlichen Dienst wurde. Sieben Jahre später veröffent-
licht die Münchner Bürgerinitiative gegen Berufsverbote eine Dokumentation.6

(zuletzt geändert am 25.12.2020)


1 Republikanischer Anwaltsverein (Hg.), Statt einer Festschrift. Dokumente zur Abhöraffäre RA Arnold, München, den 19.10.1979, Anlage 7.

2 Siehe „Der Fall Schönfelder — Ein Skandal oder In bester Verfassung“.

3 Siehe https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/kb/article/view/9696.

4 Blatt. Stadtzeitung für München 149 vom 29. Juni 1979, 23.

5 Siehe „Quarksalber“ von Nero.

6 Siehe „Berufsverbote. Bedrohung für die Gewerkschaften“.