Flusslandschaft 1980
Medien
Die Presse macht Stimmung und damit Politik, vor allem der Münchner Stadtanzeiger im Süd-
deutschen Verlag, als dessen Redaktionsleiter Erich Hartstein von 1959 bis 1989 tätig ist. Zu Fa-
sching erscheint das Blatt als „Spaßanzeiger“ und bietet Überraschendes, indem es zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt. Ein Gedicht macht sich über Georg Kronawitter lustig. Und dieses Ge-
dicht soll Peter Dienstbier geschrieben haben. Dienstbier hatte eine Zeit lang im Münchner Kul-
turbetrieb gearbeitet und schließlich angewidert das Weite gesucht. Jetzt wehrt er sich mit einem offenen Brief.1
„24. April 1980: »Es war im BR einmal das „Notizbuch“ – was ist aus ihm geworden?« Seit dem 1. Januar hat der Familienfunk, der für die Vormittagssendung »Das Notizbuch« zuständig ist, einen neuen Abteilungsleiter. Wie wirkt sich das auf die Qualität der Sendung aus? Welche Themen wer-
den jetzt wie behandelt? Information und Diskussion mit Gert Heidenreich und anderen Mitarbei-tern/Mitarbeiterinnen des »Notizbuchs«. 20 Uhr, Bräuhausstraße 2, 8 München 2.“2 Siehe auch „Zensur“.
„Herrn Ministerpräsident Dr. Franz Josef Strauß – Für Ihre Einladung zum Empfang für Schrift-
steller, bildende Künstler und Komponisten am 10. Juli bedanke ich mich. Ich bin nicht nur Kom-
ponist, sondern hauptberuflich Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks (Musikabteilungsleiter im Studio Nürnberg). Mit Bestürzung habe ich von der Androhung der Bayerischen Staatsregierung und der sie tragenden Partei erfahren, die Mitwirkung des Bayerischen Rundfunks in der ARD zu kündigen. – Unabhängig von meinem politischen Standort empfinde ich diesen Vorgang als einen Versuch, meine künstlerische und politische Freiheit und die meiner Kollegen im Bayerischen Rundfunk einzuschränken. Ein Austritt des Bayerischen Rundfunks aus der ARD hätte unüberseh-
bare organisatorische, personelle und finanzielle Veränderungen und damit wahrscheinlich auch eine Bedrohung der Arbeitsplätze vieler politisch und im jeweiligen Bereich künstlerisch unabhän-
gig denkender und handelnder Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks zur Folge. – Diese Gründe veranlassen mich, meine ursprünglich gemachte Zusage zurückzuziehen. – Ich erlaube mir, dieses Schreiben der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Klaus Hashagen, Verband Bayern“3
„Der Hofknicks kommt wieder in Mode. Nebenwirkung der Drohung Bayerns, aus der ARD auszu-
treten – »Die Kündigungsdrohung gegenüber der ARD ist das letzte Gezeter und der letzte Fieber-
anfall von Strauß und Stoiber vor der Bundestagswahl.« (Arthur Bader, Pressesprecher des BR). »Es steht einem Angestellten des Bayerischen Rundfunks nicht zu, in diesem Ton und mit diesen Ausdrücken Beschlüsse der Bayerischen Staatsregierung zu kommentieren.« (Abteilung Presse und Information i.V. Seizinger, leitenderMinisterialrat). – Wer aus dem Rest der Bundesrepublik in Bayern Urlaub zu machen pflegt oder bayerischesHoheitsgebiet zum Transit ins auch völker-
rechtlich anerkannte Ausland durch. queren will, tut gut daran, schon einmal fleißig Kniebeugen und respektvolle Bücklinge zu proben. Aus gewöhnlich unzuverlässigen CSU-Kreisen ist der Plan durchgesickert, spätestens nach gewonnener Bundestagswahl an allen innerdeutschen Grenzüber-
gängen nach Bayern Zoll zu erheben. So lange es keine eigene bayerische Währung gibt, sollen statt Bargeld alle Reisenden ihren Tribut in Form von Verbeugungen und Kniefällen vor dem Wappen des Freistaates leisten, was von den Grenzbeamten im Paß zu dokumentieren ist. Nur wer nachwei-
sen kann, daß er seiner Hoheit, dem allerwertesten Franz Josef, schon einmal die Füße geküßt hat, darf dreimal ungehindert ein- und ausreisen. Journalisten brauchen zudem eine Unbedenklich-
keitsbescheinigung des bayerischen Herrscherhauses und ein Führungszeugnis des zuständigen Pfarramtes. Alfred Horné“4
Marc David Chapman erschießt am 8. Dezember John Lennon in New York. Es erscheint ein Flugblatt.5
(zuletzt geändert am 17.9.2025)
1 Siehe „Offener Brief“ von Peter Dienstbier.
2 Mitteilungen der Humanistischen Union 1 vom April 1980, 58.
3 HFF. Hörfunk, Fernsehen, Film. Zeitschrift der Rundfunk-Fernseh-Film-Union (RFFU) in der Gewerkschaft Kunst (GK) im DGB 8 vom August 1980, 6.
4 A.a.O., 19.
5 Siehe „Schüsse in der Requisitenkammer“.