Flusslandschaft 1981
CSU
Franz Josef Strauß meint: „… Was sich an Gewalt ereignet in unserem Land, hat seinen Auftakt genommen beim feierlichen Gelöbnis der Bundeswehr im Bremer Stadion im Mai des vorigen Jahres: Es gab an die 450 verletzte Polizeibeamte. Wieder Bremen, dann Hamburg, Frankfurt, Berlin waren und sind weitere Stationen der Gewalt … Wenn ein kleiner Mann einmal mit seinem Auto einen Fehler macht, falsch parkt, zu schnell fährt oder wenn er ein Häusel baut auf seinem Hof ohne Genehmigung des Kreisbaumeisters, dann erwischt ihn die ganze zermalmende Wucht der modernen Bürokratie und ihrer Strafandrohungen. Da toben die Chaoten in ganzen Straßenzü-
gen, zerstören die Geschäfte, schlagen Dutzende von Polizisten krankenhausreif, verletzen Hun-
derte von Polizisten, richten Schäden an, die heute schon weit über zehn und mehr Millionen lie-
gen – aber der kleine Mann ist es, der die ganze Sanktionswucht des modernen Staates und seiner Bürokratie und seiner Regelungslawine erfährt, mit der heute alle Bereiche des Lebens bis in das Letzte hinein mit Paragraphen und Bestimmungen geregelt werden. Man muss sich einmal vor-
stellen, was hier an demokratischer Staatsgesinnung durch diese nicht nur Ungleichheit, sondern totale Gegensätzlichkeit der Maßstäbe zerstört wird: freie Hand für Rechtsbrecher und Gewalttä-
ter, aber drakonische Strafen für den kleinen Mann, der einmal einen Paragraphen nicht beachtet, sei es aus Unkenntnis, sei es aus Absicht, oder der sich sagt, ich probier es halt einmal, vielleicht komme ich durch damit. Ich bin ein überzeugter Anhänger des Rechtsstaates, aber die großen Lumpen muss man härter packen als man die kleinen Leute verfolgt …“1
Die Biermösl Blosn spuit beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus am Platzl. Mancher anwesende CSU-Politiker hat seine klammheimliche Freude.2
Bei einer Veranstaltung der Jungen Union (JU) kommt es am 13. Mai zu lautstarken Protesten.3
Franz Josef Strauß meint: „Ich habe zu Hause so viele Waffen, dass ich eine ganze Polizeistation ausrüsten könnte“4 „… Was macht dieses Strauß-Wort klar? Erstens: Der Mann hat Angst. Kann man in seinem Hause Waffen dulden, wenn man frei davon ist, Alpträume zu haben, in denen man überfallen, entführt oder erpresst wird? Zweitens: So viele Waffen zu besitzen, deutet auf Waffen-
fetischismus hin. Das Erotische an der Waffentechnik wie am Töten wird betont. Und drittens: Wer damit prahlt, so viele Waffen zu besitzen, dass er damit eine Polizeistation ausrüsten könnte, der droht. Franz Josef Strauß spricht heute noch gern davon, dass er der erste Atomminister der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Er muss es sich also gefallen lassen, wenn wir den Atomstaat mit seiner Person in Verbindung bringen …“5
Annette Schorb und Bernhard Inderst haben auf einem Plakat Franz Josef Strauß beleidigt. Am
28. September findet der Prozess statt.6
Steuerfahnder Klaus Förster findet in den Schließfächern der Dresdner-Bank-Filiale Nordstraße in Düsseldorf-Pempelfort ein Kassenbuch des Flick-Generalbuchhalters, blättert darin und glaubt seinen Augen nicht zu trauen. Da findet er Bargeldzahlungen an Politiker aller im Bundestag ver-
tretenen Parteien. (Um die alle aufzuführen, reicht hier der Platz nicht aus.) Aber erwähnenswert ist doch, dass FJS dreimal 250.000 DM und einmal 200.000 DM erhielt. Über Jahre hinweg ha-
ben die Parteien entgegen den gesetzlichen Vorschriften in großem Umfang, oft über den Umweg gemeinnützig eingestufter parteinaher Organisationen, Spenden des Flick-Konzerns erhalten. Von 1969 bis 1980 gingen 15 Millionen DM an die CDU/CSU, 6,5 Millionen an die FDP und 4,3 Millio-
nen an die SPD. 1975 verkaufte der Flick-Konzern Aktien im Wert von fast zwei Milliarden DM, um den Erlös zu reinvestieren. Dafür erwirkte er beim Bundesfinanzministerium eine Steuerbefreiung. „In Vernehmungsprotokollen der seit Mai 1981 ermittelnden Staatsanwaltschaft tauchen neue Na-
men auf: so Walter Scheel, so Josef Ertl, so Horst Ehmke, so Franz Josef Strauß. Frage des Staats-
anwalts an Strauß: ‘Haben Sie Zuwendungen vom Flick-Konzern erhalten?’ Antwort: ‘Mein Name oder der Name der CSU ist für diesen Vorgang nicht spezifisch …’ Im Fall FJS/CSU geht es um dreimal 250.000 und einmal 200.000, summa 950.000 Mark, zugewendet in den Jahren 1975 bis 1979. Strauß laut Protokoll: ‘Ich darf nebenbei bemerken, dass es sich hier nicht um die Honorie-
rung von Ratschlägen handelt, sondern um eine bestimmte politische Linie im Inland und Aus-
land.’"7 — Große Unternehmen und große Unternehmer stecken nicht unbeträchtliche Summen in die „Pflege der politischen Landschaft“. Auf die Nachfrage besorgter Bürger, ob das sinnvoll sei und vielleicht unethisch oder sogar illegal, hört er aus berufenem Mund: „Das machen wir alle so, wer das nicht macht, ist schnell weg vom Fenster.“ Über die Verflechtung und Verfilzung von öko-nomischer und politischer Macht sind Bücher ohne Zahl geschrieben worden. Gott sei Dank lesen zahllose unserer Mitbürgerinnen und -bürger keine Bücher.8
Siehe auch „Zensur“.
(zuletzt geändert am 3.11.2025)
1 Bayernkurier vom 14.3.1981, zit. in: Börni, Annette, Ruth, Mathias, Hartmut (Wächtler), Christopher, Lilo, Billy und Andrea (Wolf) mit Beiträgen von Wolfi und Reinhard, Stark sein – stärker werden, München Januar 1984, 97.
2 Siehe „Des san ja Linke“ von Karl Förster.
3 Vgl. Süddeutsche Zeitung 111/1981.
4 Die Zeit 1/1982, www.zeit.de/1982/01/worte-des-jahres/seite-10.
5 Georg Gaede: „Ich habe zu Hause so viele Waffen, dass ich eine ganze Polizeistation ausrüsten könnte“ In: Der Zeitge-
nosse. Zeitschrift der Aktion Lebensqualität 1/1986, 27.
6 Siehe „Beleidigung?“.
7 Der Spiegel 48 vom 29. November 1982, 3. Siehe Steuerfahnder Klaus Förster gegen den Rest der Republik. Dokumen-
tation in: www.anstageslicht.de (Dokumentationszentrum Couragierte Recherchen und Reportagen an der Hochschgule für Angewandte Wissenschaften Hamburg). Vgl. dazu auch Hans Werner Kilz/Joachim Preuß, Die gekaufte Republik, Reinbek 1983.
8 Siehe „Franz Josef Strauß {II}“ von Emil Carlebach.