Flusslandschaft 1986
Rechtsextremismus
Im Januar findet eine Veranstaltung der „Grauen Wölfe“, der türkischen Faschisten, statt. Antifa-
schistische Türken planen eine Demonstration und verteilen aus diesem Anlass bei BMW Flug-
blätter. Dabei kommt es zu heftigen Auseinandersetzungen, ein Faschist wird niedergestochen, mehrere Antifaschisten werden festgenommen. Birol Akim wird zu acht Jahren wegen versuchten Totschlags, Yüksel Sahin wegen Beihilfe zu vier Jahren verurteilt.1
Mitte Februar schließen sich Aktive aus eher marxistisch orientierten Kreisen mit Autonomen zu einem antifaschistischen Bündnis zusammen.2
Geschichtspolitik: Der Historiker Ernst Nolte löst mit seiner These, der Rassenmord der National-
sozialisten sei eine Reaktion auf das „ursprünglichere“ Verbrechen, nämlich auf den bolschewisti-
schen Klassenmord, den „Historikerstreit“ um die Einzigartigkeit des nationalsozialistischen Mor-
des an Millionen von Jüdinnen und Juden aus. Dabei gibt es im XX. Jahrhundert nur zwei Genozi-
de, die dem Völkermord der Nazis ähnlich sehen: Der Massenmord an den Armeniern in der Tür-
kei während des ersten Weltkrieges und der Massenmord durch ukrainische Nationalisten bei den Judenpogromen 1917 bis 1921, der 200.000 Tote forderte. Singulär aber war die fabrikmäßige Li-
quidierung eines Volkes in Gaskammern und Verbrennungsöfen, wie es die Wannseekonferenz be-
schlossen hat. So verheerend die Scheußlichkeiten in Stalins Reich waren, die Kulaken hatten bei der Errichtung von Kolchosen seit 1929 drei Alternativen zur Auswahl. Entweder blieben sie im Dorf ohne Stimmrecht mit der Möglichkeit, Parteimitglied zu werden, oder sie wurden zwangsum-
gesiedelt oder in Lager gesperrt, wo sie mit unmenschlich harter Arbeit getötet wurden. — Noltes Thesen dienen in den folgenden Jahren zur Relativierung deutscher Verantwortung, die ja dem na-tionalen Selbstbewußtsein immer wieder im Wege steht.
Wahlen stehen bevor, da rechnen sich viele gute Chancen aus.3 „Die Hauptkundgebung des repu-
blikanischen Landtagswahlkampfes findet am Mittwoch, dem 8. Oktober, ab 18 Uhr, im Münchner Schwabingerbräu (Leopoldstraße) statt. Auswärtige Gäste werden gebeten, mit plakatgeschmück-
ten Fahrzeugen anzureisen. Hauptredner: Franz Schönhuber und Harald Neubauer. Es spielt die Hitzhofener Blasmusik. Da über 2.000 Besucher erwartet werden, empfiehlt sich rechtzeitiges Eintreffen.“4
(zuletzt geändert am 8.5.2023)
1 Vgl. informationsdienst münchen 4 vom Januar 1986, 16 ff.
2 Siehe „antifaschistischer arbeitskreis“.
3 Siehe „Neonazis: „Testlauf“ in Bayern“ von Ernst Antoni.
4 Der Republikaner 9/1986, 3.