Flusslandschaft 1951

Kunst/Kultur

»Aufgabe von Kunst heute ist es, Chaos in die Ordnung zu bringen. Künstlerische Produktivität ist das Vermögen der Willkür im Unwillkürlichen«, schreibt Theodor W. Adorno im 142. Aphorismus seiner ›Minima Moralia‹.1

ARCHITEKTUR

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Die neue Empfangshalle bei BMW soll mit einfachen klaren Linien modern und harmonisch wir-
ken. Einige Besucherinnen behaupten, dass es sie hier friere.

BILDENDE KÜNSTE

Der Schutzverband Bildender Künstler zeigt im Kunst-Pavillon im „Alten Botanischen Garten“ an der Sophienstraße, der als Ausstellungsbau am 9. September 1950 eröffnet wurde, 1951 eine Anti-
kriegsausstellung u.a. mit Werken von Otto Dix und Otto Pankok. Oskar Neumann: „Kam darauf-
hin etwa der Leiter eines Museums oder eines Verlags, der diese einzigartigen Dokumente einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen wollte? Nein. Statt dessen tauchten ‚die immer noch braunen Spürhündchen vom sogenannten Verfassungsschutz’ auf, um eine Inspiration ‚vom Osten’ zu ergründen …"3

Am 20. Oktober wird im Haus der Kunst eine Ausstellung mit Bildern von Sepp Hilz, Josef Thorak und anderen ehemaligen NS-Künstlern eröffnet. Der bayrische Kultusminister reagiert auf Kritik: Man könne die Bilder nicht deshalb verbieten, „weil sie einmal Nazigrößen gefallen“ hätten.

KINO

Fritz Falter gründet am 15. Mai mit dem Filmjournalisten Walter Talmon-Gros in der Occamstraße 8 das erste Filmkunsttheater Deutschlands im ehemaligen „Western-Kino“ im Lustspielhaus. Im Manifest ist zu lesen: „Unser Ziel ist, im Herzen Schwabings einen Treffpunkt der filminteressier-
ten Münchner Intelligenz zu schaffen, dem schmalen Geldbeutel des Literaten, Schauspielers, Ma-
lers und Studenten angemessen, in dem Filme laufen, die man gesehen haben muss, wenn man in Filmfragen mitreden will.“ Die Meinungen über die gezeigten Filme werden über das „Scherbenge-
richt“ (Einwerfen der Eintrittskarten in Kästchen „Gut, Mittel, Schlecht“ eingeholt.4

LITERATUR

Wolfgang Koeppens Tauben im Gras steht im Strauß der literarischen Neuerscheinungen einzig da. Er bezieht sich nicht auf die jüngste Vergangenheit, sondern auf die äußerst fragwürdige Ge-
genwart, die er, ohne sie zu interpretieren, in all ihren Verästelungen aus verschiedenen Perspek-
tiven nackt beschreibt. Koeppen schildert unter anderem die Zustände im Hofbräuhaus am Platzl. Man säuft, man schimpft auf die Amerikaner und sogar die sind, wenn sie sich hierher verirren, begeistert, wenn Führers Lieblingsmarsch erklingt.5

(zuletzt geändert am 18.3.2021)


1 Theodor W. Adorno, Minima Moralia, Frankfurt am Main 1951, 298. (GS4, 253)

2 Die Kunst und das schöne Heim, 6 vom März 1951, München, 220.

3 antifaschistische rundschau 12 vom Dezember 1989, 20.

4 Siehe „Kinosituation in München. Interview mit Fritz Falter“.

5 Siehe „Tauben im Gras“ von Wolfgang Koeppen.