Flusslandschaft 2002

Gedenken

Die Befreiungsfeier des Comite International de Dachau auf dem Gelände des Konzentrationsla-
gers Dachau findet am 5. Mai statt. — Am 8. Mai findet eine Gedenkveranstaltung zum Tag der Be-freiung in der Ludwig-Maximilians-Universität am Geschwister-Scholl-Platz 1 statt. Um 19.30 wird hier die Ausstellung „Die Deutsche Bank – Eine Kriminalgeschichte“ eröffnet.

„11. Mai 1952: Polizeimord in Essen – Philipp Müller Gedenkveranstaltungen“: Samstag 11. Mai, 11.00 Uhr: Gedenkfeier am Grab von Philipp Müller, mit Gedenkworten von Sigi Benker (Stadtrat) und Martin Löwenberg, Friedhof Aubing — Dienstag, 14. Mai, 19.00 Uhr: „Gegen Remilitarisierung damals und Militarisierung heute. Informationsabend zum 50. Todestag von Philipp Müller“ mit Martin Löwenberg, Vertretern der ver.di-Senioren zum Kampf gegen Remilitarisierung heute und der ver.di-Jugend gegen Militarisierung heute, Quergesang Münchner Gewerkschaftschor & Ro-ter Wecker, Rote Trillerpfeifen im Gewerkschaftshaus an der Schwanthalerstraße 64, großer Saal — Mittwoch, 15. Mai, 16.00 Uhr: Kundgebung mit Demonstration, Sendlinger-Tor-Platz. Veran-stalter/Unterstützer u.a.: aam, AStA der GSU, DFG-VK, SDAJ München, ver.di-Jugend München, Werner Feldmann, Erika Grube, Hanne Hiob, Wolfgang Haiduk, Martin Löwenberg, Erich Thurm.1

Der Hiroshimatag am 6. August soll jedes Jahr an den Abwurf der ersten Atombombe mit ihren schrecklichen Folgen erinnern (ebenso Nagasaki, 9. August), aber vor allem auch die heutige Atompolitik bekämpfen. Über die Jahre bzw. Jahrzehnte war es oft die Münchner Bürgerinitiative für Frieden und Abrüstung (BIFA), die mithalf, diesem Thema Aufmerksamkeit zu verschaffen. Irgendwann übernahm es die Schwabinger Friedensinitiative, an diesem Tag auf dem Forum der Münchner Freiheit entsprechende Veranstaltungen (unter Beteiligung der gesamten Friedenssze-
ne) durchzuführen. Dann suchten sie mehr Unterstützung, und so macht immer wieder die BIFA verstärkt mit. Allgemeine Unterstützung erfolgt natürlich via Friedensbündnis. Dienstag, 6. August, 18 Uhr: „Hiroshimatag“ mit dem Motto „Atomwaffen abschaffen – nur durch Druck ‚von unten’“ auf dem Forum des Platz der Münchner Freiheit in Schwabing.

1905 entstand in München die erste deutsche Ortsgruppe des Touristenvereins „Die Naturfreun-
de“
. Ziel war es, den Arbeiter und die Arbeiterin aus den stickigen Wohnungen, aus den verdreck-
ten und verrußten Werkstätten, aus den lärmenden und stinkenden Fabriken in die Natur, in Ge-
sundheit, Schönheit und Freude zu geleiten, um wieder Kraft zu tanken und den Geist freizube-
kommen, damit dieser politisch Klarheit entfalte und sich klarmache, dass ohne gesellschaftliche Utopie und konkretes Handeln eine Verbesserung der trüben Gegenwart nicht möglich ist. Schon nach wenigen Jahren hatte der Verband mehr als 1.000 Mitglieder in verschiedenen Sektionen, darunter eine „Hochtourismus-Sektion“ für Bergsteiger. Der Alpenverein dagegen war schon im-
mer ein Verband der Eliten und des Bürgertums. Da erstaunt, dass das Alpine Museum des Alpen-
vereins
in München unter dem Titel „Aufstieg der Linken“ eine Ausstellung zeigt, die von der er-
sten deutschen Arbeiter-Kaukasus-Expedition 1932 berichtet.2 Das Begleitprogramm zeigt unter anderem am 18. September Episoden aus der DDR-Fernsehserie „Rote Bergsteiger“, die an Berg-
steiger erinnern, die sich während der Zeit des Hitler-Faschismus im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet am antifaschistischen Widerstand beteiligten. Das geht einigen anwesenden Alpen-
vereinsmitgliedern zu weit. Sie protestieren reflexartig gegen diese „kryptokommunistische“ Öffentlichkeitsarbeit ohne zu realisieren, dass die Objekte der Beschäftigung aus der Zeit der Weimarer Republik und der NS-Zeit stammen.

Die Meinung in der Bevölkerung über die Ausstellung ‚Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 44. Di-
mensionen des Vernichtungskrieges’, die vom 8. Oktober bis 24. November 2002 im Münchner Stadtmuseum gezeigt wird, ist gespalten. Es kommt zu heftigen Wortgefechten in der Warteschlan-
ge vor dem Eingang zur Ausstellung.3

Rechtsextremisten planen anlässlich der Eröffnung der überarbeiteten Wehrmachtsausstellung in München für den 12. Oktober eine Demo. Das Kreisverwaltungsreferat gibt sich kooperativ. Ur-
sprünglicher Anmelder des Aufmarsches, der von der Theresienwiese über die Schwanthaler-/Son-
nenstraße zum Sendlinger-Tor-Platz und zurück gehen soll, ist Steffen Hupka, langjähriger Füh-
rungskader der Nationalistischen Front (NF) und bis März 2000 Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Als Redner soll u.a. Friedhelm Busse aus München, langjähriger Chef der Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) auftreten. Der 73-jährige Überzeugungstäter ist jedoch gerade u.a. wegen Verunglimpfung des Staates (er hat die Gründung der BRD als kriminellen Akt bezeichnet und die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in der vom Naziregime geprägten Form gefor-
dert) zu 2 Jahren und 4 Monaten Gefängnis verurteilt worden, so dass er als Redner „verhindert“ ist. Jetzt treten als Anmelder und Redner „nur“ noch so „harmlose“ Gestalten auf wie Martin Witte, einer der Rechtsextremisten, die wegen versuchten Mordes an dem Griechen Artemios T. in Mün-
chen vor Gericht standen. Nun sieht das Kreisverwaltungsreferat – nachdem offensichtlich auf An-
raten der Behörde hin die wegen einschlägiger Straftaten bei früheren Demonstrationen vorbe-
straften Erstanmelder in den Hintergrund getreten sind – keinen Grund, den Aufmarsch zu verbie-
ten. Damit wird auch die Beschlusslage vieler Bezirksausschüsse ignoriert, u.a. der des BA Lud-
wigsvorstadt-Isarvorstadt, in dessen Gebiet nun wahrscheinlich der Aufmarsch stattfinden soll, die sich dafür aussprechen, alle rechtlichen Mittel gegen die Rechtsextremisten auszuschöpfen. — Am 12. Oktober hängt an der Fassade des Gewerkschaftshauses an der Schwanthalerstraße 64 sowie an der Fassade des ver.di-Hauses in der Bayerstraße je ein großes Spruchband mit der Aufschrift „Fa-schismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!“ Die rund fünfhundert demonstrierenden Neonazis aus dem Spektrum der „freien Kameradschaften“ tragen unter anderem ein Transparent, auf dem zu lesen ist „Sozialismus (durchgestrichen) – Nationalismus (durchgestrichen) – Natio-nalsozialismus“. Zunächst veranstalten die Rechtsextremen eine von Polizei weiträumig abge-schlossene Kundgebung auf der Theresienwiese. Von dort wollen sie losmarschieren. Zunächst spricht der zum Islam konvertierte Schweizer Rechtsextremist Ahmed Huber. Dann gibt es Musik, schließlich beginnt der Zug. Das Transparent an der Spitze des Aufmarsches lautet: „Die deutsche Wehrmacht kämpfte tapfer und anständig. Stoppt die Lügenausstellung!“ Gegendemonstranten stehen da im Weg, unter ihnen Stadträtin Brigitte Wolf. Polizisten aus Nordrhein-Westfalen räu-men den Weg frei. Brigitte Wolf wird mit den Worten „Wir in NRW kennen keine Stadträte“ mit-geteilt, dass sie einen Platzverweis erteilt bekomme, wenn der Zug der Nazis losginge. — Ein brei-tes Bündnis, getragen von 70 Organisationen, hat zu Gegenveranstaltungen aufgerufen. Mehrere tausend Münchnerinnen und Münchner stoppen den Naziaufmarsch schon nach wenigen hundert Metern kurz vor dem Goetheplatz. Von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet können die Rechtsextremen ihre Abschlusskundgebung auf der Theresienwiese durchführen.4 Seitdem halten etwa zwei Dutzend Rechtsextreme, geschützt von einem großen Aufgebot von Polizei und immer wieder attackiert von Gegendemonstranten jeden Freitag vor dem Rathaus eine Mahnwache ab. — Martin Löwenberg und weitere AktivistInnen haben dazu aufgerufen, „sich den Nazis in den Weg zu stellen“. Sie werden angezeigt.

„23. Oktober: Die Burschenschaft Danubia München hält in ihrem Haus in der Möhlstraße 21 in Bogenhausen eine Veranstaltung mit Dr. Walter Post zum Thema ‚Die Wehrmachtsausstellung als Symptom. Selektive Geschichtsschreibung in manipulativer Absicht’ ab. — 10. November: Rund 50 Personen aus dem Spektrum der ‚Freien Kameradschaften’ halten auf dem Marienplatz vor dem Rathaus eine Kundgebung gegen die ‚Wehrmachtsausstellung’ ab. Versammlungsleiter ist Martin Wiese, rund 150 GegendemonstrantInnen finden sich ein. — 23. November: Mit Schildern, Trans-parenten und kleinen schwarz-weiß-roten Papierfähnchen demonstrieren Neonazis um das Akti-onsbüro Süd bei einer Mahnwache gegen die Ausstellung ‚Verbrechen der Wehrmacht. Dimensio-nen des Vernichtungskrieges 1941 – 44’. Darunter auch Martin Wiese, der in diesem Jahr den Platz der Führungsfigur innerhalb des Aktionsbüro Süd eingenommen hat. — 30. November: Erneut führen Neonazis aus dem Spektrum der ‚Freien Kameradschaften’ zum Protest gegen die ‚Wehr-machtsausstellung’ eine Demonstration durch. Aus dem ursprünglich angemeldeten ‚Sternmarsch’ wird letztendlich eine kleine Demo mit kurzer Route. Anmelder ist erneut Martin Wiese.“5 Etwa Tausend Gegendemonstranten protestieren. Antifaschisten, die den wohlfeilen Aufruf von Politi-kern, man möge sich den Nazis entgegenstellen, ernst nehmen, werden vor Gericht gestellt.6

(zuletzt geändert am 10.1.2021)


1 Siehe „Vor 40 Jahren wurde Philipp Müller erschossen!“ von Martin Löwenberg und „Rede anlässlich des fünfzigsten Todestages auf dem Friedhof Aubing am Grab Philipp Müllers“ von Siegfried Benker.

2 Vgl. Kaukasus – Die Geschichte der Ersten Deutschen Arbeiter-Kaukasus-Expedition 1932. Münchner und Dresdner Arbeiter-Bergsteiger in der Sowjetunion. Bearbeitet von Ursula Brunner, Michael Kühn und Georg Ledig. Schriftenreihe des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung Nr. 4, München 2002.

3 Siehe „Wehrmachtsausstellung“ von Heinrich Maetzke.

4 Siehe „Finale nach 500 Metern“ von Ernst Antoni und „Ein persönliches Protokoll“.

5 www.aida-archiv.de

6 Siehe „Ausgerechnet in München: Nazigegner bestraft“ von Max Brym.