Flusslandschaft 1958
Nazis/Rechtsextremismus
Im westfälischen Hamm wirkt ohne sichtbare Anfechtung Oberlandesgerichtsrat Muhs, dessen Tätigkeit unter dem Nationalsozialismus der Münchner Schriftsteller Gert Ledig angreift.1
In Pasing führt Dr. med Hanns Eisele eine gutgehende Praxis. Der zunächst zum Tode verurteilte und 1952 begnadigte KZ-Arzt von Buchenwald bekam 3.000 DM „Spätheimkehrerhilfe“, 25.000 DM „Existenzaufbauhilfe“ und die Kassenzulassung. Nachdem in Pasing seine Nazivergangenheit bekannt und Anzeige erstattet wird, läßt ihn trotzdem der Münchner Staatsanwalt von Decker (seit 1931 NSDAP-Mitglied) ungeschoren; schließlich flüchtet Eisele nach Ägypten.2 „Der Botschafter, der dort wegen der Auslieferung Eiseles ‚intervenieren’ sollte, Dr. Walter Becker, ist — ehemaliger SS-Oberführer und Sonderbeauftragter der SS und der NSDAP. Seine ‚Bemühungen’ blieben, wie zu erwarten, ‚erfolglos’.“3
Auf dem Parteitag der Deutschen Reichs-Partei am 25./26.10.1958 in München fordern 350 Dele-
gierte in der Hackerbrauerei: „Oberstes Ziel ist die Wiederherstellung des Deutschen Reiches mit der Hauptstadt Berlin … Wir fordern die Wiederherstellung des Deutschen Reiches in seinen ge-
schichtlichen Grenzen … Deutschland hat einen völkerrechtlich unbestrittenen und unverzichtba-
ren Rechtsanspruch auf Rückgabe der Vertreibungsgebiete. Ostdeutschland und das Sudetenland sind Teile des Reiches. Der deutsche Rechtsanspruch auf die Vertreibungsgebiete darf nicht durch Verzichtserklärungen geschwächt werden. Wer das tut, verrät das Vaterland und seine Rechte.“4 Karl Stankiewitz berichtet von einem „nationalistischen Rausch. Schwarz-weiß-rote Fahnen, sturmzerfetzte Kampfbanner, dröhnende Märsche und markige Reden taten das ihre.“5
Die Deutsche National-Zeitung (DNZ) kam zuerst 1951 unter dem Titel Deutsche Soldaten-Zeitung heraus, die von ehemaligen Wehrmachtssoldaten und auch von ehemaligen Soldaten der Waffen-SS gegründet worden war. Die DNZ wurde anfangs als Zeitung für Kriegsveteranen von der US-amerikanischen Verwaltung und dann 1953/54 vom Bundespresse- und Informationsamt finanzi-
ell unterstützt und gefördert. 1958 wird sie zu 50 Prozent von Gerhard Frey erworben.6 — „… Was in Lidice am 10. Juni 1942 geschah, das weiß die ganze Welt. Warum es aber geschah, darüber berichtete bis jetzt nur die raffiniert verschleierte Lüge, die halbe Wahrheit. Die Vernichtung des unglücklichen Dorfes Lidice haben keineswegs die Deutschen gewollt, sondern die tschechischen Emigranten in London und Moskau.“7
(zuletzt geändert am 14.7.2024)
1 Siehe „Im Namen der vergasten Kinder!“ von Gert Ledig.
2 Siehe „Der Fall Eisele — ein Symptom“ von Max J. Riedl.
3 Widerstandskämpfer klagen an. Denkschrift zum Antrag der Bundesregierung gegen die Vereinigungen der Verfolgten des Naziregimes (VVN) beim Bundesverwaltungsgericht, Frankfurt am Main o.J. (1960), 9.
4 https://www.tabularasamagazin.de/deutsche-reichspartei-drp/
5 https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/rechtsradikalismus-in-muenchen-nachkriegsjahre-350-altnazis-im-hackerkeller-art-453631
7 Deutsche Soldaten-Zeitung vom Dezember 1958.