Flusslandschaft 1959
Lebensart
Zwei Geistliche kritisieren, dass beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg führende Politiker des Freistaates sich nicht nur sehen lassen, sondern dort ganz offensichtlich ihre Popularität pfle-
gen. Dies sei „aus religiösen Gründen als auch vom Standpunkt der Volksgesundheit her als schädlich zu erachten“. Die CSU-Landtagsfraktion beugt sich diesem Verdikt. Allerdings unter-
laufen „Ochsensepp“ Dr. Josef Müller und zwei CSU-Staatssekretäre den Beschluss der Fraktion und gehen zum Maßkrugstemmen. Obwohl im darauf folgenden Jahr auch Innenminister Alfons Goppel dem Starkbierrummel distanziert gegenübersteht, ist ein Boykott des Starkbieranstichs nicht durchzuhalten.1
Nach der Jahrtausendwende ist nur noch das Ansehen von Gebrauchtwagenverkäufern niedriger als das von Politikern. Das herrschende Bild von Politikern, das Wahrheiten genauso wie Vorurtei-
le zeigt, befördert massive Politikverdrossenheit – erstaunlicherweise auch schon ein halbes Jahr-
hundert früher.2
Franz Gans erinnert sich noch gut daran, wie sein Vater, immerhin schwerbeschädigter Stalingrad-
kämpfer und ein „harter Brocken“, blass im Gesicht wurde und zu Schwitzen anfing, wenn er eine Uniform sah, egal, welche hoheitliche Aufgaben sie erfüllte. Der autoritäre Staat steckt der Genera-
tion seiner Eltern in den Knochen. Nur einige wenige denken daran, wie es sein würde, wenn die Menschheit vom Staat befreit wäre.3
Das staatliche Hofbräuhaus am Platzl ist völlig heruntergekommen. Nach Interventionen begehen Herren des Finanzministeriums incognito den Ort und sind entsetzt.4
1 Siehe „Starkbier ist lebenswichtig“ von Otto von Loewenstern.
2 Siehe „Hinter der Stirn eines Politikers“ von Wilhelm Binder.
3 Siehe „Die Abschaffung des Staates“ von Aladin Spür.
4 Siehe „Etwa zur gleichen Zeit …“ von Karl Stankiewitz.