Flusslandschaft 2011

Zensur

Im April zeigt Wolfram Kastner im Schauraum am Ackermannbogen in der Therese-Studer-Stra-
ße 9 unter dem Titel „teilen statt kriegen“ Bilder von Kriegsopfern. Empörte Eltern beschweren sich, die Bilder hätten ihre Kinder traumatisiert. Daraufhin betreten Polizei und Staatsanwalt die Bühne.1 Kastner erhält am 5. August einen Bußgeldbescheid über 250 Euro plus Gebühren, ein-
gestuft als Ordnungswidrigkeit nach Paragraph 118 wegen „Belästigung der Allgemeinheit“. Das Herzeigen verstümmelter Gliedmaßen sei eine Kundgebungsform, „die sich bewusst nicht in die für das gedeihliche Zusammenleben unserer Rechtsgemeinschaft erforderliche Ordnung einfügt“.2 Kastner wehrt sich: Traumatisiert werde man nur in einer realen Lebenssituation, nicht durch bloße Bilder. Nicht er sei es, sondern die Wirklichkeit, die provoziere. Und einige Zeitgenossen wundern sich: Da werden Abbilder von Opfern real existierender Kriegsgeschehnisse, die sensibi-
lisieren sollen, behördlicherseits verfolgt, brutalisierender und desensibilisierender sex and crime-Schrott kann dagegen auf privaten Fernsehsendern unbehelligt Tag und Nacht in die heimischen Wohnstuben flimmern. – Im November zeigt Kastner die beanstandeten Bilder im Kunstraum 84 Gigahertz in der Georgenstraße 84 in Schwabing. Der Titel lautet jetzt „OWiG§118 – Antikriegsbil-
der sind (k)eine Belästigung der Allgemeinheit“.

Die Stadt München verbietet ein Konzert der Band Rammstein am Totensonntag, da es die Bedeutung des Totensonntags als „stiller Tag“ gefährde.


1 Siehe „Antikriegsbilder – jugendgefährdend?“, „Kein Ort für Kunst – aber OWiG“ von Carl Blauhorn, „teilen statt kriegen“ und „Heile Welt“ von Hans Dölzer.

2 Siehe „Bußgeldbescheid“.

Überraschung

Jahr: 2011
Bereich: Zensur

Referenzen