Flusslandschaft 1973

CSU

„Nach Vilshofen aß Strauß in München Fisch — Denkste: Am Aschermittwoch fängt in Bayern alles erst an — ‚Bayern muss frei bleiben’, donnerte der ‚Großmeister dunkler Andeutungen’ (‚Süddeutsche Zeitung’), Franz Josef Strauß, beim Münchener CSU-Fischessen und beschimpfte Bundeswohnungsbauminister Dr. Hans Jochen Vogel als ‚Anpasser’ und ‚sozialistischen Gleichschaltungs-Kommissar’, der eine grausige ‚Bodenenteignung’ plane. — Der CSU-Boss prophezeite Fürchterliches: Würden Vogel und die SPD 1974 in Bayern siegen, könne man nur sagen: ‚Armes Bayern. Rotes Bayern. Gute Nacht, Bayern!’ Strauß sah überall ‚Faulheit’, ‚Feigheit’ und ‚Zerfall’ am Werke, vermisste den entschiedenen Rechtsdrall auch bei der CSU. Gerade darum müsse Bayern ‚weiß-blau’ bleiben, denn aus dem Süden sollte der Geist der Freiheit nach Deutschland getragen werden. — Warnend erklärte er an die Adresse von Barzel, Katzer, die Sozialausschüsse: ‚Wer die Politik der Anpassung an den Zeitgeist und Linksüberholung predigt, der zerschlägt die Einheit der Union.’ Vorausgegangen war sein ‚stern’-lnterview, in dem angedeutet worden war, dass er sich als Oppositionsführer bereithalte. — Seine Parteifreunde hatten Strauß bereits beim Vilshofener Aschermittwochstreffen als den starken Mann vorgestellt, der sich bereit erklärt habe, den ‚Oppositionsführer in Bonn’ zu machen. Denn es gelte, ‚die rote Flut aufzuhalten’. – H.B.“1

Besonders viel Zuspruch erfährt die CSU aus den Reihen der Sudetendeutschen Landsmannschaft (SL). Vom 9. bis 11. Mai trifft sie sich in München, Alfons Goppel begrüßt sie. Die Demokratische Aktion (DA) bittet Oberbürgermeister Kronawitter von einem Grußwort abzusehen.2

Immer mehr Prostituierte bevölkern die Stadt, Anwohner beschweren sich über den Strich vor der Haustür. Da fordern im Sommer die beiden Christsozialen Walter Zöller und Lothar Gügel die gezielte Suche nach geeigneten Standorten und dann dort den Bau von Bordellen. In der CSU kommt es gegen diese Überlegungen zu einem Proteststurm und Kirchenkritiker amüsieren sich.3

„… sonst wird dich Franz J. S. holen … — Die Verwilderung der Sprache des ‚Rechtskartells’ in der Bundesrepublik erreicht Ausmaße, die man nicht mehr hinnehmen darf. Da schreibt doch Wilfried Scharnagel, Redakteur des von Franz Josef Strauß herausgegebenen ‚Bayernkuriers’, Egon Bahr sei ‚überfällig für die Auszeichnung mit dem Großen Vaterländischen Verdienstorden durch SED-Chef Honecker’. — Kein Minister habe sich ‚so willig und einsatzfreudig, so widerlich und entlarvend als Propagandareferent unmenschlicher kommunistischer Politik betätigt und — im Sinne der anderen Seite auch bestens bewährt – wie Egon Bahr’. — Das ist nicht nur Rufmord, das erinnert an die Hetze nationalistischer Rabauken gegen die ‚Erfüllungspolitiker’ in der Weimarer Republik, als sie den Mord an Rathenau und Erzberger geistig vorbereiteten. — Ein Flugblatt der ‚Jungen Union’ von München-Ost, das Kritik gegen Bundesfinanzminister Helmut Schmidt vorbringt, zu der die Junge Union selbstverständlich berechtigt ist, wird umrahmt mit dem Vers: ‚Schmidtchen hat die Mark gestohlen, gib sie wieder her, sonst wird dich FRANZ JOSEF holen …’ Jedermann weiß natürlich, dass dieser Vers endet: ‚Mit dem Schießgewehr!’ — Das ‚Rechtskartell’ scheint sich nicht im klaren darüber zu sein, dass sich seit der Weimarer Republik und unserer Erfahrung mit dem Rechtsextremismus einiges geändert hat. In der Bundesrepublik gibt es vor allem eine einige Gewerkschaftsbewegung. Ihre Mitglieder werden, unabhängig davon, welchem politischen Lager sie angehören, verhindern, dass durch nationalistische Hetzer und Großsprecher die Demokratie zerschlagen und Deutschland einer neuen Katastrophe entgegen getrieben wird, die es kaum noch überstehen könnte. — Mo.“4

Siehe auch „Gewerkschaften/Arbeitswelt“ und „Internationales“.


1 Metall 6 vom 20. März 1973, 5.

2 Siehe „Aufhängen, aufhängen“.

3 Vgl.: Karlheinz Deschner: „Die Frommen und die Freudenmädchen. Warum CSU-Politiker, wünschen sie in München Bordelle, christliche Traditionen fortsetzen“ in: Ders., Oben ohne. Für einen götterlosen Himmel und eine priesterfreie Zeit. Zweiundzwanzig Attacken, Repliken und andere starke Stücke, Reinbek bei Hamburg 1997, 226 ff.

4 Metall 16 vom 7. August 1973, 3.