Flusslandschaft 1976

Gedenken

Die Sieger über die Münchner Räterepublik 1919 prägten auch das Bild von der Münchner Re-
volutionszeit. Mit der Studentenbewegung um 1968 entstanden Ansätze, das herrschende Ge-
schichtszerrbild in Frage zu stellen. Der erste große Anlauf, die Münchner Rätezeit neu zu denken, findet ausgerechnet in Berlin statt. Die Akademie der Künste zeigt hier vom 13. Juni bis 11. Juli die Ausstellung „Literaten an der Wand. Die Münchner Räterepublik und die Schriftsteller“.1 Hansjörg Viesel bringt das gleichnamige Buch heraus. Kurz danach erscheint eine wichtige Studie, die die Niederschlagung der Münchner Räteherrschaft und die Psychiatrisierung ihrer Protagonisten the-
matisiert.2

Hannes König, der im Valentin-Musäum im Isartor residiert, betont, dass »der Valentin« alles andere als ein unpolitischer Spaßmacher war.3

Vom 2. Juli bis 17. Oktober findet im Alten und Neuen Schloss Schleißheim eine Ausstellung unter dem Titel „Kurfürst Max Emanuel. Bayern und Europa um 1700” statt.4

Der Eigentümer des Hotels Bayerischer Hof am Promenadeplatz 6 weigert sich, an der tatortnahen Hausfassade eine Gedenktafel an die Ermordung Kurt Eisner, des ersten Ministerpräsidenten des Freistaats, anbringen zu lassen. Die Tafel wird in die Wiese auf dem Promenadeplatz gelegt, wo sie keinerlei Beachtung findet. – Mit der Ausstellung „Fotografie und Revolution. München 1918/19“, die Rudolf Herz und Dirk Halfbrodt vom 4. November 1988 bis 12. März 1989 im Münchner Stadt-
museum zeigen, gelingt es mehr als zehn Jahre später sogar in München, eine differenzierte Sicht dieses zentralen Kapitels der politischen Geschichte Münchens der Öffentlichkeit zu präsentieren. 1989 lässt der Münchner Stadtrat ein weiteres Denkmal für Eisner einrichten. Als Ort wählt er den Bürgersteig in der Kardinal-Faulhaber-Straße, öffentlicher Grund. Eine Art eiserner Rost zeigt re-
liefartig eine niedergestreckte Person dort, wo der Tatort war. Vorurteile aber halten sich zäh. In den folgenden Jahren kommt es immer wieder zu Konflikten.5

Am 9. November demonstriert ein Mann in der Fußgängerzone in Erinnerung an den 9. November 1923.6

(zuletzt geändert am 22.4.2023)


1 Siehe „Das Münchner Räteterritorium“.

2 Vgl. H.D. Heilmann, Revolutionäre und Irre — die wahnsinnige Revolution und das normale Auschwitz, in: Schwarze Pro-tokolle 14 vom November 1976, Berlin, 2 ff.

3 Siehe „Die merkwürdige Renaissance des Komikers Karl Valentin“ von Hannes König.

4 Siehe „Vom Verhältnis von Kultur und Geschichte“ von Wolfgang Ruppert.

5 Siehe „Gedenken“ 2001.

6 Vgl. Süddeutsche Zeitung 261/1976.