Flusslandschaft 2024
Frieden/Abrüstung
Jürgen Rose spricht am 29. Februar im EineWeltHaus zum Thema „Den Frieden gewinnen – nicht den Krieg!“: https://youtu.be/QTupHOtX5Yo
Auftaktkundgebung mit dem städtischen Grußwort von Brigitte Wolf, Rede: Maria Feckl, DFG/VK; Abschlusskundgebung: Linda Schneider, Gewerkschaft ver.di, Landesbezirksleiterin Bayern, Mar-
tin Pilgram, Pax Christi, Jürgen Rose, Darmstädter Signal, Oberstleutnant (AD) der Bundeswehr und Philipp von der SDAJ, Musik: StreetOps Music1 Etwa 1.800 Menschen sind auf dem Marien-
platz. Am Rathaus wehen eine ukrainische und eine israelische Fahne. Zwischen beiden bläht sich eine mit der blassen Aufschrift „Bürgermeister für den Frieden“. Seltsam: Erst vor einigen Wochen hat die Stadt München den Zuschuss für die „Internationale Münchner Friedenskonferenz“ gestri-
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München steht auf (MSA) protestierte am 27. März unter dem Motto „Der Frieden steht auf“ um 18 Uhr auf dem Stachus und veranstaltet seinen eigenen Ostermarsch am Ostersamstag um 14 Uhr auf dem Odeonsplatz.
Münchner Friedensbündnis: Ostermarsch draußen findet am 1. April durchs Hachinger Tal in ein „Eldorado der Rüstungsindustrie“ statt. Treffpunkt/Auftakt: 11 Uhr S-Bahnhof Taufkirchen; von dort die traditionelle Wanderung mit Erläuterungen zum Campus in Ottobrunn; dazu im Hachin-
ger Landschaftspark Picknick im Grünen … Zurück via S-Bahn Unterhaching.
Wolfgang Veiglhuber spricht am 25. Juni zum Thema „Soziales rauf – Rüstung runter“ im EineWeltHaus.4
Karl Stankiewitz ist mit den Wünschen des Genossen Pistolero, wie ihn Richy Meyer inzwischen nennt, nicht einverstanden.5 „Als SPD übernehmen wir Verantwortung dafür, dass kein Kind, das heute in Deutschland geboren wird, wieder Krieg erleben muss. Die Vereinbarung der SPD-geführ-
ten Bundesregierung mit der US-Administration, ab 2026 US-amerikanische Raketen mit größerer Reichweite in Deutschland zu stationieren, ist dafür ein wichtiger Baustein.“ Stellungnahme des SPD-Parteipräsidiums vom 12. August zur von Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Juli im Hand-
streich dekretierten „Nachrüstung 2.0“, der Stationierung von u.a. Marschflugkörpern und de facto im Anflug nicht mehr zu eliminierenden Hyperschallraketen einer Reichweite um die 2.500 Kilo-
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MSA plant für den 1. September ein »Friedens-Festival« auf dem Marienplatz. Das stört einen ge-
werkschaftlichen Arbeitskreis, der findet, dass hiermit der „Antikriegstag“ den Gewerkschaften gestohlen wird. (Nebenbei: In den letzten [mindestens] zehn Jahren ist die Bedeutung des Anti-
kriegstages innerhalb der Gewerkschaften kontinuierlich geschwunden.) Für den 10. Juli plant der Arbeitskreis „Aktiv gegen rechts“ in ver.di München ein Symposium mit dem Titel „Wer oder was ist »München steht auf«?“. Das ruft MSA auf den Plan. Ab 17 Uhr findet eine Kundgebung vor dem Ersatz-DGB-Haus in der Neumarkterstraße 22 statt. Die Gewerkschafter melden daraufhin vor „UNSEREM HAUS“ eine Gegenkundgebung ab 16.30 Uhr an. Beim Treffen im Gewerkschaftshaus möchte auch Dr. Ingrid Pflanzelt, langjährige Ortsvorsitzende der IPPNW (Internationale Ärzt*in-
nen zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung e.V.) und als junge Ärztin mit einer Ärztebrigade in Nicaragua auf eigene zusammengesparte Kosten, teilnehmen. Sie wird als Nazi beschimpft und davongejagt, weil sie bei MSA-Veranstaltungen spricht. Das erneuert die Kontaktschuldvorwürfe, die bewirken, dass jeder nur noch mit denen und zu diejenigen sprechen darf, die schon immer auf der „richtigen“ Seite gestanden sind oder zumindest politisch unbedarft außen vor waren. Wäre es da nicht besser, anstatt mit sprachlosen Interventionen die „missliebi-
gen Blindgänger des Platzes zu verweisen“, mit ihnen zu sprechen und sie auf ihre Denkfehler hin-
zuweisen? Das käme einer lebendigen, demokratischen Debattenkultur näher statt einer Ausgren-
zung mit archivalischen Verweisen. – Die allgemein herrschende Identifikation mit der kapitalisti-
schen Produktionsweise ist nicht das Werk dunkler Verschwörer. Dass sich Menschen einen Staat als Organisationsform ihrer Gesellschaft gebildet haben, hat keine mystischen Ursachen. Freilich gibt es zahllose, auch einflussreiche und ökonomisch potente Protagonisten, die die Institutionen der strukturellen Gewalt favorisieren, propagieren und ausnutzen. Diese aber operieren so, dass ihnen widersprochen werden kann. Selbstverständlich sind sie Ideologieproduzenten und Strip-
penzieher und dies muss veröffentlicht werden. Wer allerdings von dunklen Mächten raunt, von bestimmten ethnischen Gruppen, die im Geheimen eine „Neue Welt-Ordnung“ vorbereiten, dessen Haltung führt in eine faschistische Weltanschauung. Und dies trifft freilich auf einige der beim »Friedens-Festival« angekündigten RednerInnen und MusikerInnen zu: So munkelte Kilez More von der drohenden „Neuen Welt-Ordnung“ (die im Wesentlichen immer dieselbe ist) und erkennt in 9/11 eine US-amerikanische Verschwörung. Ken Jebsen, der mit seinem Klarnamen Kayvan Soufi-Siavash auftritt, hat anlässlich der Covid-Pandemie eine Vielzahl von Behauptungen mit scheinbar klaren, einfachen Antworten propagiert, die Kritiker des autoritär überzogenen Corona-Regimes auf falsche Fährten führten, aber dabei die naturwissenschaftlichen biologischen und gentechnischen Grundlagen kaum beachtet. Auf der anderen Seite darf doch zum Beispiel Patrik Baab mit seiner Kritik an den Mainstream-Medien vermuten: „Wenn die Journalisten in Deutsch-
land ihre Arbeit gemacht hätten, wäre es wahrscheinlich zu diesem Krieg in der Ukraine nicht ge-
kommen.“ — Wer am 1. September auftritt, wird pauschal als »rechts« geframt. Tatsache ist aber auch, dass rechtsextreme Netzwerke mit Hilfe von scheinbar neutralen U-Booten versuchen, im vorpolitischen Raum die kulturelle Hegemonie zu befestigen. Wie mit diesen Widersprüchen um-gehen? Unerträglich ist auf jeden Fall, dass ein AfD-Landtagsabgeordneter auf Twitter den Klarna-men des Referenten des Symposiums im Gewerkschaftshaus unter der Überschrift »Robert Andre-asch: Linksextremist im Staatsdienst!?« veröffentlicht und ihn damit zur Jagd freigibt.
Bei der MSA-Kundgebung nehmen nach Polizeiangaben 3.500 Menschen, nach eigenen Angaben 5.000 teil. Richy Meyer ist auch da, um sich selbst ein Bild vom dortigen Spektakel zu machen; er versucht angesichts diverser eigentümliche Parolen auf Transparenten und Plakaten ins Gespräch zu kommen. Manchmal wird es heftig. Bei der grausamen Rede einer Colette gibt es lautstarken Widerspruch. Ob seine Hinweise auf den herrschenden Polizeistaat in der Russischen Föderation etwas bewirken? Auf seine wiederholte Frage, wie denn „Friedensbewegung“ und anwesende Reichsbürger, Deutschnationale und AfD-Leute zusammenpassten, hört er mehrmals, schon immer seien in der Friedensbewegung auch seltsame Figuren, Esoteriker oder gar Mitglieder der CDU mitgelaufen. Bei der berühmten Demo im Bonner Hofgarten seien beispielsweise auch Baldur Springmann und Alfred Mechtersheimer gewesen. Meyer meint, der Unterschied zu damals sei, dass im Hofgarten keine „Querfrontstrategen“ am Werk gewesen seien. Eine ältere Dame ist sich unsicher; am 5. November ist US-Präsidentenwahl: „Ich weiß nicht, wen ich besser finde: Eine intelligente US-Präsidentin, die die hegemoniale Dominanz der USA mit weiteren Rüstungsmil-
liarden ausbaut, oder einen durchgeknallten Autokraten, der ankündigt, den dritten Weltkrieg verhindern zu wollen.“ Ein Mann meint, er sei eigentlich immer „links“ gewesen, habe aber jetzt so oft das Etikett „rechts“ angeklebt bekommen, dass er sich damit abgefunden habe. Ein alter Be-
kannter, mit dem Richy länger spricht und von dem er „klare Kante“ gegen Rechts fordert, meint, die oberflächliche Sortierung in Freund und Feind führe zu Schubladendenken, das auf Kosten effektiver antifaschistischer Arbeit nur noch Symptombehandlung zur Folge habe. Eine Freundin, die Richy seit 50 Jahren als Linksradikale kennt, sagt: „Weißt Du, ich bin bei der »neuen« Frie-
densbewegung, weil sie vielfältig ist, weil ich diskutieren kann und mich dabei wohlfühle. Bei Euch“, und dabei deutet sie auf ihn, „steht schon alles fest. Da erzählen die Häuptlinge, wo es lang geht. Das langweilt mich.“ Sie verabschiedet sich freundlich von ihm und lässt ihn einfach stehen. Was auffällt: Auf dem Marienplatz mischen sich Antimilitaristen und Linke mit eindeutig rechts Orientierten. Die Organisatoren stellen scheinbar „unpolitisch“ unterschiedliche Stimmen gegen den Krieg auf die Bühne. Uwe Steimle zitiert Erich Kästner. Diether Dehm verfolgt eine national-
bolschewistische Agenda: „Links und Rechts gemeinsam gegen kapitalistische Eliten!“ (Wer sich in der Geschichte etwas auskennt, weiß, dass die nationalbolschewistische Agenda der Weimarer Re-
publik jämmerlich gescheitert ist.) Verschiedene Infostände sind eindeutig der rechten und rechts-
extremen Szene zuzuordnen, so z.B. der Online-Kanal Kla.TV.7
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Der ver.di-Bezirk München und das Münchner Friedensbündnis rufen zur Antikriegstag-Kundge-
bung unter dem Titel „NIE WIEDER Faschismus und Krieg!“ auf: „Anlass sind nicht allein die ge-
werkschaftliche Tradition, den Antikriegstag zu begehen und die gegenwärtigen Kriege, sondern auch, dass für den selben Tag das AfD-affine Sammelbecken »München steht auf« zu einem »Frie-
densfestival« aufruft. Als Gewerkschaften sehen wir uns in der Pflicht, diesen Kräften nicht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit am Antikriegstag zu überlassen. Es liegt an uns, dafür zu sor-
gen, dass sich das rechte Spektrum nicht als »einzige Friedenspartei« gebärden und auf Stimmen-
fang gehen kann.“9 Erstaunlich ist, dass im Aufruf der Gewerkschaften kein Wort zur Ukraine, zu deutschen Waffenexporten und zu Gaza fällt. Auf dem Königsplatz befinden zwischen 300 und in der Spitze 500 Menschen.
Eines hat MSA zumindest erreicht: Um 17 Uhr geht es weiter. Es sind 87 Leute anwesend.10
Wo sind die Unterschiede in den Protesten? »Linke« sehen die Voraussetzungen für die schlechte Wirklichkeit im inzwischen global herrschenden Wirtschaftssystem, diesem großen Spiel, dessen Produktion auf der Vernutzung von menschlichen und natürlichen Ressourcen beruht, um in der Konkurrenz mit anderem Kapital langfristig zu überleben und zu expandieren mit dem Ziel, Profit zu generieren. »Linke« bekämpfen nicht »die Spieler«, sondern »das große Spiel«. »Rechte« da-
gegen …11
AktivistInnen und die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegnerinnen laden für Freitag, den 27. September, zu einer Protestkundgebung auf den Stachus.12 Es sind gerade mal 20 Menschen anwesend. Die Versammlungsleiterin meint u.a. in ihrer Rede, dass Landesflaggen unerwünscht seien, um das gleiche Recht für alle zu betonen. In einem kurzen Gespräch mit ihr weist Werner auf die Kundgebung der Palästinenser am Freitag letzter Woche hin, die ebenfalls von keiner anderen Organisation unterstützt wurden, und die sicher nicht ohne ihre Fahnen kommen würden. So würden alle vereinzelt. Es käme keine gemeinsame Aktion zustande. Nach einer kaum zu verstehenden Ansprache erklingt: „We shall overcome!“ Ob das tatsächlich so ge-
schieht?
Am 3. Oktober wollen bei der großen Friedensdemonstration in Berlin auch Ingrid Pflanzelt und Peter Gauweiler sprechen. Das ruft den „Arbeitskreis gegen Rechts“ bei ver.di München auf den Plan. Er verfasst einen Offenen Brief, der nicht unwidersprochen bleibt.13 Münchnerinnen und Münchner fahren zur Demonstration am 3. Oktober. Zwischen 40 und 50.000 Friedensbewegte demonstrierten in Berlin in drei Sternmärschen für den Frieden und gegen weitere Aufrüstung.14
41 Prozent der Deutschen befürchten, die BRD könnte in einen der aktuellen Kriege hineingezogen werden.15
Siehe auch „Rechtsextremismus“.
1 Siehe https://www.muenchner-friedensbuendnis.de/Ostermarsch-Muenchen-2024.
2 Siehe Bilder vom „ostermarsch“ von Günther Gerstenberg.
3 Ostersamstag, Odeonsplatz. Foto: Richy Meyer.
4 Siehe https://www.youtube.com/watch?v=mfozi0kot30.
5 Siehe „Pazifismus“ von Karl Stankiewitz.
6 Siehe auch Sevim Dağdelen, Die Nato: Eine Abrechnung mit dem Wertebündnis, Frankfurt am Main 2024.
7 Siehe
– https://www.kla.tv/KarlMarx/13906;
– https://muenchen-steht-auf.de/friedensfestival/;
– Markus Stockhausen: https://www.youtube.com/watch?v=zel1euRSmn8;
– Uwe Steimle: https://www.youtube.com/watch?v=ZA0YH0kyw8k&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=1;
– Ulrike Guérot (u.a. über die Süddeutsche Zeitung): https://www.youtube.com/watch?v=g33srKGsQP0&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=4;
– Nina Maleika: https://www.youtube.com/watch?v=u1hps0Ud-cg&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=5 und https://www.youtube.com/watch?v=MPTQ0XIIWaA&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=6;
– Morgaine: https://www.youtube.com/watch?v=Bo6H9366RNU&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=7;
– Diether Dehm und Pfarrer Jürgen Fliege: https://www.youtube.com/watch?v=1CxVesuHGNE&list=PLsa57NwC4Onlr4BLDjssnV599EbSys8pW&index=8;
– Colette (Ihrer mehr als fragwürdigen Rede wird aus dem Publikum massiv widersprochen.): https://www.youtube.com/watch?v=QSL_BHG6clk;
– https://www.youtube.com/watch?v=_XRF1VJhRFM und die
– Bilder vom „friedensfestival“ von Günther Gerstenberg.
8 14 Uhr auf dem Königsplatz, Foto: Günther Gerstenberg
9 Siehe http://www.antikriegstag-muenchen.de.
10 Siehe die Bilder vom „antikriegstag“ von Günther Gerstenberg.
11 Siehe „Autoritätsverlust“ von Anarch.
12 Siehe https://friedenskonferenz.info/frieden-ohne-fahnen/.
13 Siehe
– https://www.redglobe.de/2024/09/auf-nach-berlin-am-03-10-keine-buehne-fuer-gauweiler-pfanzelt-co/,
– eine weitere Intervention: https://www.idk-info.net/themen/ und
– „Skurriler Antifaschismus“ von Werner.
14 Siehe
- https://nie-wieder-krieg.org/aufruf-03-10-2024/ und
- https://nie-wieder-krieg.org/videos-bilder-reden/.
15 Siehe „Kriegsangst“ von Karl Stankiewitz.