Flusslandschaft 1984
CSU
Im September 1981 konnte Unternehmer Josef Schörghuber kostengünstig städtischen Grund und Boden erwerben. Schon bald richteten sich Proteste gegen Oberbürgermeister Kiesl, der Schörghu-
ber begünstigt haben soll. Georg Kronawitter gelingt es, mit seinen Attacken auf Kiesl den Begriff „Baulandgeschenk“ mit unendlichen Wiederholungen in die Köpfe der Münchnerinnen und Münchner zu hämmern. Einige kritisieren die undemokratische Kabinettspolitik hinter den ver-
schlossenen Türen des Münchner Rathauses.1 Schörghuber wehrt sich.2
Dieter Hildebrandt, Gerhard Polt und die Biermösl Blosn zeigen in den Kammerspielen monate-
lang vor ausverkauftem Haus ihre Inszenierung „München leuchtet“. Hier spielt Schörghuber neben Kiesl eine zentrale Rolle.3
Am Samstag vor der OB-Stichwahl stehen sich am Sendlinger-Tor-Platz zwei „Demonstrationen“ gegenüber. Unter den Transparenten „Wählt den Krieg gegen Arbeiter anderer Nationen!“, „Wählt die eigene Arbeitslosigkeit!“ und „Stimmt gegen die 35-Stundenwoche“ stehen als „Julia von Sie-
mens, Flick, Arndt von Bohlen und Halbach, Marianne Strauß, Schörghuber, Hans Stützle, Gau-
weiler, Kiesl, Friedrich Zimmermann und schwarze Sheriffs“ Mitglieder des Arbeiterbundes für den Wiederaufbau der KPD. Die zweite „Demonstration“ läuft unter dem Motto „Wir sind wir und die sind die!“4
Erich Kiesl verliert die Kommunalwahlen. Georg Kronawitter ist vom 2. April 1984 bis 1993 zum zweiten Mal Oberbürgermeister. Allerdings scheinen sich neue klientelistische Beziehungen erst jetzt, 1984, durchzusetzen, denn Strukturwandel findet zeitverzögert statt: Neun Firmen aus der Elektro-, Meß- und Regeltechnik sprechen sich seit 1984 ab, wer jeweils die Aufträge in ihrer Bran-
che erhalten sollte. Sie stützen sich dabei auf die Informationen eines bestochenen Angestellten, der für die Auftragsvergabe zuständig ist und gleichzeitig als Bauleiter beim Klärwerk – einem 500-Millionen-DM-Projekt – fungiert. Der Stadt München entsteht so in den achtziger Jahren durch Betrügereien beim Neubau des städtischen Klärwerks ein Schaden in Höhe von mehreren Millionen DM.
Franz-Joseph Strauß, der bayerische Sonnenkönig, polarisiert und polemisiert gerne: „Haben Sie überhaupt Abitur?“ Bei seinen Kundgebungen ist zuweilen der Schritt zur Lynchjustiz nur ein kur-
zer. Nicht nur das Anti-Strauß-Komitee, sondern viele andere auch wenden sich gegen die brachia-
len Töne aus der bayerischen Staatskanzlei.
Siehe auch „AusländerInnen“.
1 Siehe Müllers „Stadtrat oder Geheimrat?“.
2 Siehe „Heiland oder Erlöser“.
3 Siehe „München leuchtet“.
4 Vgl. Kämpfende Jugend. Für den Aufbau des BDJ 2/1984, 30 f.