Flusslandschaft 1978
Stadtviertel
„Aus dem unteren Tabellen-Drittel – Leider musste der von der Schwabinger Bürgerversammlung beantragte Lärmschutzwall an der Heidemannstraße durch den Bau- und Vergabeausschuss des Stadtrats abgelehnt werden. Die lärmgepeinigten Anwohner waren nicht in der Lage, den gefor-
derten Schallpegelwert von 77 Dezibel vorzuzeigen, sondern blieben nach Messungen des Kreis-
verwaltungsreferats bei kläglichen 51 Dezibel stecken. Es wird z.Z. geprüft, ob dafür wenigstens kostenlose Monatspackungen Oropax ausgegeben werden können.“1
Die Stadtteilsanierung der Schwanthaler Höh‘ hat Befürworter wie Gegner. Beide aber stehen letztendlich gemeinsam auf der Barrikade.2
In der letzten Nummer der Perlach aktuell vom April 1978 heißt es: „Was war bisher? Einige un-
verwüstliche Bewohner, teils Delegierte ihrer Bürgerinitiativen, stellten zusammen mit engagier-
ten Sozialarbeitern die Redaktion. Unterstützung, organisatorisch, inhaltlich und journalistisch kam vom Verein für Gemeinwesenarbeit. Die Perlacher Bürgerinitiativen — voran die Mieterinitia-tive Perlach Ost — wuchsen mehr und mehr in die Rolle des Herausgebers. An mehreren Stellen der Berichterstattung gab es Blitz und Donner in Chefetagen. Die menschenfeindliche Bürokratie, nimmersatte Wohnbaugesellschaften, karriereorientierte Politiker und Gewerkschaftsbeamte — überhaupt so vieles, was weit über dem Volk thront, hatte allen Grund, sich zu ärgern. Wir ver-mochten ein ganz klein wenig an ihrem Erscheinungsbild zu kratzen. Das war aber auch schon wieder zuviel. Der Streit um Perlach Aktuell zwischen dem Vorstand des Vereins für Gemeinwe-senarbeit (GWA) und den GWA-Mitarbeitern entzündete sich Anfang 1977, was jetzt vermutlich zur Auflösung des Vereins führen wird. Ein Jahr des müßigen Streits zwischen Bürgerinitiativen und diesem GWA-Vorstand liegt hinter uns. Letzter Höhepunkt Anfang 1978: Vierzehn Bürger-initiativen Neuperlachs wenden sich geschlossen an die Öffentlichkeit über Massenmedien wie Süddeutsche Zeitung und Münchner Merkur, sowie dem Bayerischen Rundfunk. Ein Massenme-dium sind wir leider auch in fünf Jahren nicht geworden. Das heißt, wir haben uns nicht der je-weils gültigen, staatlich verordneten Meinung angeschlossen. Wir haben aber auch nicht die Köp-fe und Herzen der Massen erringen können. In Bestzeiten verkauften wir tausend Exemplare. Für eine Amateur-Stadtteilzeitung ganz nett. Bei einer Stadtteilbevölkerung von vierzigtausend Ein-wohnern jedoch zu wenig.“3
Am 11. Juli protestieren Schwabinger gegen die Bebauung der Münchner Freiheit.4
Auch auf der Schwanthaler Höh‘, die weiter hinten auch Westend genannt wird, regt sich weiter Unmut.5
„ABRISS, NEIN DANKE – Kratzer‘s Gasthaus in der Lerchenfeldstraße 18 ist die älteste Wirtschaft im Lehel. Der Hausbesitzer lässt seit Jahren dieses Haus absichtlich herunterkommen, um so den Abriss zu erzwingen. Nachdem er von einem Stadtratsausschuss auch schon die Zweckentfrem-
dungsgenehmigung erhielt, haben sich jetzt über 100 Bürger aus dem Lehel zu einer Interessenge-
meinschaft zu seiner Erhaltung (nicht des Stadtrats, sondern des Wirtshauses) zusammengefun-
den. Kontakt: Andreas Kelling. Oettingenstraße 28, M 22.“6
Die Bürgerinitiative Oettingen-/Sternstraße im Lehel lässt nicht locker. Auf der Bürgerversamm-
lung am 24. Oktober stellt sie erneut einen Antrag zur Verkehrsberuhigung.7
5. Dezember: „Die Bürgerinitiative Umweltschutz erhebt gegen die Stadt und Oberbürgermeister Kiesl schwere Vorwürfe: Die Anträge der FDP, SPD und CSU auf Behandlung des gesamten Bärlo-
cher-Problems seien im Stadtrats-Plenum unter ‚Umgehung der Geschäftsordnung‘ schlichtweg missachtet worden. Zudem sei der Genehmigungsbescheid für die chemischen Werke unterzeich-
net worden, obwohl die Bürgerversammlung in Neuhausen und in der Borstei einstimmig eine Stadtratsdiskussion zum Problem Bärlocher-Werke gefordert hatte. Als Erfolg wertete die Bür-
gerinitiative die umfangreichen Auflagen, die das Kreisverwaltungsreferat erlassen hatte. So müssen zahlreiche hohe Kamine errichtet und Teile der Fabrik bis zum 1. April 1979 ausgelagert werden. Trotz dieser Auflagen seien die Gefahren für die rund vierzigtausend um die Fabrik wohnenden Münchner nicht gebannt.“8 Am 24. November war der Firma die Genehmigung zum Betrieb der chemischen Werke erteilt worden.
(zuletzt geändert am 8.10.2025)
1 Blatt. Stadtzeitung für München 113 vom 27. Januar 1978, 3.
2 Siehe „Westend-Story“ von Riyan G. Münch.
4 Zur Vorgeschichte dieser Aktion siehe „BIMF – Bürgerinitiative Münchner Freiheit“; vgl. Süddeutsche Zeitung 158/1978.
5 Siehe „Schwanthaler Höh‘“ von Heinz Jacobi und Reinhard Katzmarek.
6 Blatt. Stadtzeitung für München 127 vom 18. August 1978, 3.
7 Siehe „Bericht von der Bürgerversammlung“.
8 Stadtchronik, Stadtarchiv München.