Flusslandschaft 2009

Sicherheitskonferenz

Samstag, 31. Januar, 13.00 Uhr, Sendlinger-Tor-Platz: „Jubeldemo“ zum NATO-Geburtstag – ironisch-satirische Performance zum Bayerischen Hof am Promenadeplatz 6! – „Gewahrsam-
nahmen bei Jubeldemo – Rund 80 AktivistInnen nahmen an der satirischen Demonstration ‚Happy Birthday NATO!’ teil. Die Polizei wollte den Spaß nicht verstehen. Mit Uniformen, Pan-
zern, einer Geburtstagstorte und überhaupt sehr bunt ‚feierten’ am vergangenen Samstag rund
80 NATO-‚FreundInnen’ den 60. Geburtstag des Militärbündnisses. Aufgerufen hatte zu der inzwischen schon traditionellen Jubeldemo im Vorfeld der Anti-‚SiKo’-Aktionen die SDAJ. – Bereits vor Beginn der Demonstration am Sendlinger Tor ging die Polizei gegen neun Aktivi-
stInnen vor. Diese wollten Kundgebungsmittel zur Auftaktkundgebung bringen, darunter das Fronttransparent und Spielzeugpistolen. Letztere gaben der Polizei den Anlass dafür, die Leute
in Gewahrsam zu nehmen, ‚da sie laut Polizeiangaben versucht hätten, täuschend echte Spielzeug-
pistolen auf die Demo zu schmuggeln’, wie ein Teilnehmer auf ‚indymedia’ schreibt.“1

Zum ersten Mal kann ein Beobachter der Projektgruppe „Münchner Sicherheitskonferenz ver-
ändern“
an der Siko teilnehmen.2

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Bei der alljährlich sich wiederholende Demonstration gegen die so genannte „Sicherheitskonfe-
renz“ am 7. Februar, zu der auch ver.di aufgerufen hat4, werden große Abschnitte der etwa fünf-
tausend Zugteilnehmer von mehreren Reihen der Polizei auf beiden Seiten flankiert. Zu Beginn
der Veranstaltung hatte die Demoleitung die Einsatzleitung der Polizei gewarnt, man werde die Demonstration abbrechen, wenn die Polizei zu massiv vorgehe. Bis zum Sendlingertorplatz bewegt sich der Zug relativ unbehelligt. Die Clowns-Army verspottet die Cops.5 Seitentransparente werden geduldet, der Lautsprecherwagen, aus dem es heißt „Abrüstung heißt Widerstand – Kriegsgerät wird abgebrannt“ bleibt unbehelligt. Dann aber reizt die Polizei ihre Möglichkeiten aus. Alle Sei-
tenstraßen sind abgesperrt. Infolge der dichten Polizeibedeckung können die wenigen Straßenpas-
santen die Argumente der Demonstranten nur zum Teil erkennen, sie haben auch den Eindruck, als ob ein nicht unbeträchtlicher und daher bedrohlicher Haufen von Verbrechern durch die Stadt eskortiert wird. Der Sinn und Zweck des Demonstrationsrechts wird durch das massenhafte Auf-
treten der Polizei, die den Eindruck erzeugt, sich auf abzeichnende Bürgerkriegsszenarios vorbe-
reiten zu müssen, in sein Gegenteil verkehrt. Zudem versuchen Greiftrupps Leute aus dem inter-
nationalistischen Block herauszuholen. Während der Demonstration verzichtet aber die Demolei-
tung auf einen Abbruch, da sie die Folgen als unkalkulierbar einschätzt. Die Abschlusskundgebung findet auf dem Odeonsplatz in der Abenddämmerung statt.Es spricht u.a. Tobias Pflüger.6 Auf dem Dach der Residenz zeichnen sich vor nachtblauem Himmel die Umrisse zweier Scharfschützen ab.7 Im Anschluss an die Demo werden in der Münchner Innenstadt Sylvesterbatterien (Dutzende Ra-
keten, die nacheinander in die Luft fliegen) gezündet. Eine wird an der Ecke Schwanthaler-/Son-
nenstraße gesehen. Anscheinend um etwas Verwirrung zu stiften und auch als Ausdruck der Wut über die paranoide Vollüberwachung des gesamten Innenstadtraums.8

Am 2. März findet vor dem Münchner Amtsgericht der Prozess gegen Tobias Pflüger statt, der 2005 bei den Protesten gegen die Siko versucht hatte, Zugang zu einem Festgenommenen zu be-
kommen. Nachdem Pflüger androhte, die beteiligten Polizisten wegen Rechtsbeugung anzuzeigen, zeigten die Beamten ihn an. Am 21. Juni einigen sich die Parteien; das Verfahren wird gegen eine Geldauflage eingestellt.9

Am 3. Juli soll im EineWeltHaus eine Podiumsdiskussion stattfinden. Attac hat eingeladen. Auto-
nome hindern den Chef der Münchner „Sicherheitskonferenz“ Wolfgang Ischinger am Reden.10 Im Nachhinein gibt es Hausdurchsuchungen und Anzeigen wegen Körperverletzung.

Siehe auch „Zensur“.

(zuletzt geändert am 7.10.2023)


1 Münchner Lokalberichte 3 vom 5. Februar 2009, 2.

2 Siehe www.msk-veraendern.de/13.html.

3 An der Litfaßsäule vor dem „Import Export“ im Kreativquartier Ecke Dachauer/Schwere-Reiter-Straße anlässlich der Trauerfeier für Claus Schreer am 4. Oktober 2023. Foto: Richy Meyer

4 Siehe „Offener Brief an alle Mitglieder von ver.di München anlässlich der sog. ‚Sicherheitskonferenz’“.

5 Siehe „Clowns“.

6 Siehe Tobias Pflüger, Wir werden dieser Kriegspolitik unseren Widerstand entgegen setzen, www.imi-online.de/2009/02/19/wir-werden-dieser-kr/

7 Siehe „Leserbrief“ von Martin Löwenberg, „Kein Frieden mit der NATO-Kriegspolitik“, „Verwirrte Blicke von Passanten und Polizei bei spontanem Straßentheater in München“, „Kritische Worte zu den Protesten gegen Münchner Sicherheitskonferenz“ sowie den Bericht der AuDeSa (Autonomen Demonstrations Sanitäter München) unter www.alles-schallundrauch.blogspot.de/2009/02/demo-gegen-die-sicherheitskonferenz-in.html#ixzz2pr0PJR5iAlles%20Schall%20und%20Rauch:%20Demo%20gegen%20die%20Sicherheitskonferenz%20in%20M%C3%BCnchen.

8 Siehe „7. februar“ von Volker Derlath und Franz Gans; 39 Fotos von Thomas Trueten: Proteste gegen die Siko am 7. Februar 2009, Standort: www.arbeiterfotografie.com/galerie/reportage/index.html. Siehe auch Hagen Pfaff, Große Demonstration gegen Münchner Kriegskonferenz: Erfolgreicher Auftakt für Proteste gegen den NATO-Gipfel im April 2009, www.imi-online.de/2009/02/08/grosse-demonstration/

9 Siehe Repression gegen Antikriegsaktivisten – Hammer-Urteil gegen IMI-Vorstand Tobias Pflüger,
www.imi-online.de/2009/03/23/repression-gegen-ant/,
Justizstalking der Münchner Staatsanwaltschaft – Die Repression gegen IMI-Vorstand Tobias Pflüger nimmt absurde Züge an! www.imi-online.de/2009/07/20/justizstalking-der-m/ und
Zur Einstellung des Verfahrens gegen Tobias Pflüger, www.imi-online.de/2009/07/21/zureinstellungdes/.

10 Siehe „Presserklärung von Attac München“, „Attac-Diskussion gesprengt“ von Rolf-Hennig Hintze, „Disharmonie im EineWeltHaus“ von Martin Fochler, „MUC: Attac-Veranstaltung mit SIKO-Chef gestört“ der Autonomen Antimilita-
ristInnen und „Persönliche Stellungnahme“ von Walter Listl; vgl. www.de.indymedia.org/2009/10/263944.shtml und www.jungewelt.de/loginFailed.php?ref=/2009/07-06/035.php.