Flusslandschaft 1969
Gewerkschaften/Arbeitswelt
Allgemeines
DGB
- Augustiner
- Opel-Häusler
- Zündapp
- Verlagswesen und Buchhandel
Unzumutbare Zustände in der Arbeitswelt. Besonders krasse Fälle veröffentlicht die Gewerk-
schaftspresse.1
Die Arbeiter-Basisgruppen (ABG) diskutieren intern ihr Verhältnis zu den Institutionen in
der bürgerlichen Gesellschaft, besonders zu den Gewerkschaften.2 Und es gärt in den ABG: Antiautoritäre streiten mit Traditionalisten.3
DGB
Die ABG fordern den DGB heraus. Am 4. März melden die ABG der Außerparlamentarischen Opposition München-Nord, West und Süd zusammen mit der „SDS-Arbeitsgruppe für Betriebs- und Wohnungsfragen“ für den 1.Mai auf dem Königsplatz eine Kundgebung an und zwar vor dem DGB-Kreis München. DGB-Kreisvorsitzender Ludwig Koch pocht auf das Gewohnheitsrecht des DGB und bezeichnet das Vorgehen als Affront, als unaufrichtig und heuchlerisch. Jeder wisse, dass der DGB-Kreis seine Kundgebung seit Jahrzehnten auf dem Königsplatz abhalte. Darauf werfen die ABG dem DGB Klassenversöhnung vor.4
Das Motto des DGB zum Ersten Mai lautet: »Die Zukunft gewinnen — Mitbestimmen — DGB« Es fotografieren Rudolf Pröhl und Dimitri Soulas.5
Siehe auch „Internationales“, hier: Griechenland.
AUGUSTINER
In der Gastronomie sind die Arbeitsverhältnisse besonders hart. Erika Dieling wird beim Augusti-
ner Betriebsratsvorsitzende.7
OPEL-HÄUSLER
Die Firma Opel-Häusler feiert ihr hundertjähriges Bestehen. Anlass, sie zu besuchen und einmal nach dem Rechten zu sehen.8
ZÜNDAPP
Auch in der Arbeiterklasse gärt es; der DGB hatte sich in eine Politik der seit 1966 regierenden Großen Koalition hineinziehen lassen und war zur Bekämpfung der Rezession der Jahre 1966/67 der sogenannten Konzertierten Aktion beigetreten. In den darauf folgenden Tarifverhandlungen hielten sich die Gewerkschaften an die mit den Unternehmerverbänden und der Bundesregierung ausgehandelten Lohnleitlinien mit der Folge von Reallohnverlusten. Aber bereits im Herbst 1967 war die Konjunktur wieder angesprungen und hatte einen Stahlboom mit bis zu zwanzigprozenti-
gen Gewinnsprüngen für die Industriellen ausgelöst, was Unmut in den Belegschaften über die lohnpolitische Zurückhaltung der Gewerkschaften provozierte. Bis jetzt war die Arbeiterklasse ja sehr diszipliniert, jetzt kommt es bundesweit zu spontanen Arbeitsniederlegungen.
Vor neunzehn Münchner Betrieben verteilen die ABG am 11. und 12. September ein Flugblatt. Daraufhin beginnen Arbeiter von Zündapp in Berg am Laim mit einem Warnstreik. Die ABG teilen zur Unterstützung des Streiks am 19., 22. und 30. September weitere Flugblätter vor dem Betrieb aus. Unwesentlich später agitieren sie auch bei der städtischen Müllabfuhr.9 Am 21. Oktober ver-
teilen die ABG vor zweiundzwanzig Betrieben ein weiteres Flugblatt mit der Überschrift „Dreh dich um, Kollege“.10 Bei den Metalltarifrunden 1970 und 1971 kommt es ebenfalls zu Warnstreiks. Von 1972 bis 1973 gibt die „Betriebsgruppe Zündapp“ der ABG monatlich die Betriebszeitung „Zünd-
funke“ heraus. Bei den Betriebsratswahlen 1972 gelingt es den ABG sogar, einige ihrer Wunschkan-
didaten durchzubringen. Sie bauen eine Jugendvertretung auf. Im Juli 1973 meldet ein in die ABG eingeschleuster Spitzel zweiunddreißig Namen an die Betriebsleitung; es kommt es zu den ersten politischen Entlassungen. Der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD, in den sich die ABG umbenannt haben, wird in den folgenden Jahren Schritt für Schritt aus dem Betrieb gedrängt.
VERLAGSWESEN und BUCHHANDEL
„Dein …, das Buch!“ Bedrückende Arbeitsverhältnisse finden sich auch in Betrieben, die den „Freund“ der Menschen herstellen oder vertreiben.11
(zuletzt geändert am 22.4.2023)
1 Siehe „Der fünfzig Jahre alte Gasofen“.
2 Siehe „Klassenkampf gegen Wahlkampf“ von Thomas Schmitz-Bender und Helge Sommerrock.
3 Siehe „Erklärung der Basisgruppe Ost“.
4 Siehe „Warum habt Ihr Euch nicht darauf berufen …“.
5 Die Fotos von Rudolf Pröhl befinden sich in der Fotosammlung des Archivs der Münchner Arbeiterbewegung. Weitere Fotos von Dimitri Soulas befinden sich im Fotomuseum des Münchner Stadtmuseums.
6 Flugblattsammlung, Archiv der Münchner Arbeiterbewegung
7 Siehe „Eintritt ins Mittelalter“ von Erika Dieling.
8 Siehe „Opel-Häusler lehrt Euch – Lehrlinge, wehrt Euch!“.
9 Siehe „Streikagitation bei den Müllarbeitern“.
10 Siehe die Flugblätter auf www.mao-projekt.de/BRD/BAY/OBB/Muenchen_IGM_Zuendapp.shtml.
11 Siehe „Verlagswesen und Buchhandel“ von Martius Gerteeser.