Flusslandschaft 1973

Kunst/Kultur

THEATER

Im Frühjahr 1973 bringen einige SchauspielschülerInnen der Otto-Falckenberg-Schule ihre erste Produktion heraus. Das Stück heißt „Prometheus“ und die Gruppe nennt sich programmatisch Rote Rübe.1

Die Münchner Volkstheaterkooperative inszeniert für die SDAJ den „Arbeiterjugendreport“. Das theater k, das Theaterkollektiv Transparent, das Münchner Montage Theater und die Münchner Songgruppe spielen auf drei Bühnen eine Collage aus 70 Jahren Arbeiterjugendbewegung.

Die Münchner Volkstheater Cooperative feiert im Juni ein Fest im Theatron des Olympiaparks. Dabei sind auch die Roten Rüben.2

FILM

Rainer Werner Fassbinders Serie „Acht Stunden sind kein Tag“ läuft im Fernsehen. Die einen sind begeistert, andere vermissen die politische Analyse und die korrekte Argumentation.3

In den Münchner Kinos läuft ein neuer Film von Constantin Costa-Gavras. In „Der unsichtbare Aufstand“ (Etat de siège, BRD/F/I 1972) mit Yves Montand, O.E. Hasse, Renato Salvatori u.a. bildet ein angeblicher US-amerikanischer „Entwicklungshelfer“ in Wirklichkeit die Polizei eines lateinamerikanischen Landes in modernen Verhörtechniken mittels Folter aus. Der Mann wird entführt und von Stadtguerillas verhört. Nachdem ein Austausch mit politischen Gefangen nicht gelingt und die Militärjunta ihre Todesschwadronen gegen Oppositionelle einsetzt, wird der US-Agent ermordet. – Richy Meyer hat seit Jahren Konflikte mit seinem Vater. Dieser bleibt, befragt nach seiner Haltung in der Nazi-Zeit, stumm. Richy versucht auf verschiedenen Wegen, seinen Vater aus der Reserve zu locken. Er ahnt, dass es Brücken gibt zwischen einer deutschnationalen und für ihn damit reaktionären und einer linksradikalen, internationalistischen Haltung gibt. Der Vater findet zwar das Aussehen, die Reden und die verweigernde Haltung seines Sohnes furchtbar, andererseits ist er auch Agnostiker und hat Zweifel am gegenwärtigen Wirtschaftssystem. Richy nimmt ihn mit in den Film „Der unsichtbare Aufstand“. Hier erlebt der Vater den Schauspieler O.E. Hasse, den er schon in Nazifilmen gesehen hat. Und er nickt anerkennend mit dem Kopf, weil er die außenpolitischen, weltweiten Interventionen der USA genauso ablehnt wie die „Amerikani-
sierung“ Europas mit „westlichen Werten“, die die Hegemonie der USA prolongieren. „Ami go ho-
me“ sagen Internationalisten genauso wie Nationalisten. Hier spannt sich eine Brücke. Richy fragt sich, ob eher der Vater oder eher er über diese gehen werden. Vielleicht treffen sich beide in der Mitte. Richy befürchtet, dass die Brücke nicht sehr tragfähig ist.

BILDENDE KÜNSTE

Jost Maxim malt den DKP-Aktivisten Herbert Voss. Durch das geöffnete Fenster ist der Pariser Platz in Haidhausen zu sehen.4

MUSIK

1971 wurde in der Witwe Bolte das „Kunst und engagierte Kleinkunst“ (KeKK) gegründet. Im März 1972 entstand das Musikalische Unterholz (MUH) im Alten Hackerhaus in der Sendlinger Straße. Im Juli 1973 streiken Münchner Liedermacher im Song Parnass in der Einsteinstraße in Haidhau-
sen.5

(zuletzt geändert am 22.4.2023)


1 Siehe „Wenn die Mächte Euch zerbrechen, dann zerbrecht, was Euch zerbricht“ von Peter Schult und „Katja auf dem Weg zu sich selbst“ von Friederike Münch.

2 Siehe „Ein Fest für’s Volk“ von Roman Ritter. Abbildung in: tendenzen. Zeitschrift für engagierte Kunst 95 vom Mai/Juni 1974, 47.

3 Siehe „‚Wer wirft den nächsten Stein?’“ von Hanna Schygulla und „Unsere Situation ist ernst und heiter, doch ganz und gar nicht hoffnungslos“ von Niels C. Nagel.

4 Siehe „Warum habe ich einen Arbeiter gemalt?“ von Jost Maxim.

5 Siehe „Nun singet und seid froh ho ho“ von Wolf Kleinschmidt.